Tagebücher der Henker von Paris
zweiten und dritten Keile waren seine Leiden und sein Geheul dieselben; er sprach noch fortwährend von Gautier. Beim vierten Keil bat er um Gnade und wiederholte:
»Meine Herren Meine Herren! Meine Herren!«
Gautier und Herr Lemaitre waren erschienen; sie wurden mit Damiens konfrontiert, der nicht allein nicht anzugeben wußte, wo er den, den er beschuldigte, gesehen habe, sondern auch fast zugleich die ihm von der Tortur entrissenen Geständnisse zurückzog.
Die Tortur wurde wieder aufgenommen, und man gab ihm den ersten Keil der außerordentlichen Frage.
Hier folgt wörtlich das Protokoll:
Er wird befragt. – Er sagt, er habe geglaubt, ein für den Himmel verdienstliches Werk zu tun.
Beim sechsten Keil: Lautes Jammern. – Er sagt, er sei sehr unglücklich gewesen, sich nicht selbst getötet zu haben, wie es in seiner Absicht lag.– Er bedauert, daß die ehrlichen Leute nach seinem Diebstahl nichts mehr mit ihm hätten zu tun haben wollen. – Er beklagt das Los seiner Frau und Tochter und sagt, daß Gott ihn für seinen Stolz strafe. – Er klagt eine Zauberin an, ihn bezaubert zu haben.
Beim siebenten Keil: Er sagt, daß er Abscheu vor seinem Verbrechen empfinde, und bittet Gott und den König deshalb um Verzeihung. Er bittet die Richter, bei dem Könige zu befürworten, daß er sogleich sterben dürfe. Er spricht noch von Zauberern und sagt, Satan habe die Gestalt einer alten Frau angenommen, um ihn zu verderben.
Nach dem achten Keile, der der letzte der außergewöhnlichen Frage war, erklärten die Ärzte, daß er nicht mehr aushalten könne. Die Tortur hatte zwei und eine viertel Stunde gedauert.
Die Richter erhoben sich mit einer Eile, die anzeigte, daß auch ihre Kräfte zu Ende seien. Sie gaben Gabriel Sanson ein Zeichen, und der Torturmeister nahm die spanischen Stiefel ab. Damiens versuchte seine zerbrochenen und zuckenden Beine aufzuheben. Als er es nicht vermochte, beugte er sich vornüber und betrachtete sie eine Weile mit einer Art schmerzlicher Rührung.
Schon war eine tiefe Bestürzung auf allen Gesichtern zu lesen, und doch waren Damiens, die Männer Gottes, die den Auftrag hatten, seine Seele zu retten, und die Scharfrichter, die ihm noch schrecklichere Qualen als die bereits erlittenen verursachen sollten, noch nicht bis zur Hälfte ihrer Aufgabe gekommen.
Damiens war drei Stunden lang in der Kapelle geblieben; er hatte fortwährend mit einer Andacht und Zerknirschung gebetet, die alle Zeugen rührte.
Als die Uhr vom Schlosse vier schlug, näherte sich Gabriel Sanson den Herren Guéret und von Marcilly, um ihnen anzuzeigen, daß die Stunde zum Aufbruche gekommen sei.
Obgleich er mit leiser Stimme gesprochen, hatte ihn Damiens doch verstanden, denn er murmelte mit fieberisch erregter Stimme:
»Ja, es wird bald Nacht werden.«
Und nach einer Pause setzte er hinzu:
»Ach, für Sie wird es morgen wieder Tag werden.«
Man legte ihn wieder auf den Karren, der Pfarrer von Saint-Paul setzte sich neben ihn, Herr von Marcilly ging zu Fuß hinter dem Wagen und mitten unter den Soldaten. Die Eskorte war zahlreich. Die Polizeiwache und starke Abteilungen der Maréchaussée umgaben den Karren; an jeder Straßenecke standen Piketts von französischen Garden.
Vor der Halle von Notre-Dame wollte man Damiens zwingen, niederzuknien, um Buße zu tun, aber seine halb zerbrochenen Beine verursachten ihm solche Schmerzen, daß, als er sich, um dem Befehle zu gehorchen, niederbeugte, er mit dem Gesichte auf die Erde fiel und einen so durchdringenden Schrei ausstieß, daß derselbe ungeachtet des Tumultes der Menge auf der anderen Seite des Vorhofes der Kirche deutlich gehört werden konnte. Er sprach die Worte, welche ihm der Greffier vorsagte, stehend und von zwei Häschern gehalten.
Als er wieder auf den Karren gesetzt worden war, weinte er; diese Tränen waren die ersten, die man ihn vergießen sah.
Eine Stunde später kam man am Fuße des Schafotts an. Niemals hatte eine solche Menschenmenge den Grèveplatz bedeckt; auf dem ganzen Platze gab es kein Fenster, das nicht dicht mit Neugierigen besetzt gewesen wäre. An den Kostümen einiger unter ihnen erkannte man, daß sie zu den höchsten Klassen der Gesellschaft gehörten. Hier und da sah man sogar einige reiche Frauentoiletten; ich kann aber nicht glauben, daß in einem Jahrhundert, welches sich der Philosophie und Menschlichkeit rühmte, wirklich vornehme Damen den Gedanken gehabt hätten, sich eines Schauspiels zu freuen, das schon im
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