Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
also die Mary betrogen, während man munter «die Witwe des großen Antifaschisten» bei ihren Besuchen in Ostberlin bewirtete und hofierte.
«Man» – wer ist «man»? Das müssen doch viele im Verlag gewußt haben?
16. Februar
So befremdlicher wie erleichternder Abend mit Bissinger: «Ich habe nur eine Botschaft»; und die war, daß er – respektive DIE WOCHE, mir «in jeder von Ihnen zu wählenden Form» zur Verfügung stehe – Kolumne «mit Foto», Reportage, Interview, Buchrezension, politische Kommentare, was «immer Sie wollen». Das wird helfen bei dem Brief an die ZEITchefredaktion, an dem ich ja bereits jetzt herumformuliere, obwohl er erst heute in einem Jahr fällig ist. On verra .
Zugrunde liegt dem, nicht zuletzt, eine ZEIT-Media-Analyse, die DIE WOCHE hat machen lassen, um den Konkurrenten zu röntgen, d. h. besser ins Visier zu kriegen. Demnach wird DIE ZEIT in erster Linie wegen einiger Autoren geschätzt, wobei, nicht verwunderlich, diese Inge Meysel des Journalismus namens Dönhoff ganz oben rangiert, dann Schmidt, dann Sommer – und dann, als Nummer 4, little me !! Dann – nach dem Prinzip «alle wollen Boris Becker» – ist man natürlich begehrt. Besser als umgekehrt.
23. Februar
Rudolf Hausner – «der Rudi» – liegt im Sterben; ein Einakter. Er ruft seinen Händler Huber an und bittet den, ihn zu besuchen. Huber sagt: «In 10 Tagen.» Hausner sagt am Telefon mit Grabesstimme: «Morgen.»
Nexten Tag ist Huber bei Hausner, es gibt Champagner am Bett eines winzig gewordenen 80jährigen Krebskranken. «Ich muß meine Dinge ordnen – und du mußt dieses Bild von mir kaufen, jetzt, sofort und sofort bezahlen.» Wozu man die völlig fiktiven, nicht marktgerechten Irrsinnspreise von Hausners Bildern kennen muß: um 100.000 Dollar.
Angesichts des Sterbenden wagt Huber nicht, Hausners letzten Wunsch abzuschlagen, und bittet lediglich, einen Siebdruck von dem Bild fertigen zu dürfen, damit er durch dessen Verkauf einiges von seinen Kosten wieder reinbekommt. «Aber dann bist du ja tot», sagt unbekümmert die am Bett sitzende Ehefrau. Worauf ein langes Feilschen um Nachlaß, Nachlaßrepros und Nachlaß-Stempel anhub – Sterben ist halt ein seltsam Ding. Jane Ledig-Rowohlt – von der es jetzt heißt, sie habe sich «umgebracht» – hat 20 Millionen Pfund hinterlassen – die der dicke Lord George Weidenfeld mit seinem erfahrenen Händchen für reiche Damen für eine Stiftung der University of Oxford an Land gezogen hat. Absurd: Die Mode-und-Society-Beauty, von der ihr husband Ledig schon vor vielen Jahren sagte: «Ich habe es manchmal satt, zu dem Hühnchen ins Bett zu kriechen und um Geld zu bitten» (also ein Edel-Pimp in Londoner Maßanzügen und Turnbull & Asser-Krawatten?!), die Dame, die nie eine Universität von innen gesehen hat, kauft sich nun post mortem in eine der feinsten Unis der Welt ein. NICHT eingekauft hat sie sich in den quasi eigenen Verlag, den Ledig DANN doch nicht hätte verkaufen müssen.
Sonst hat anscheinend niemand etwas bekommen, über das schöne Haus (des Arztes von Voltaire) am Genfer See ist so unbestimmt und wischiwaschi verfügt, daß vermutlich der Erblasser-Anwalt drin landen wird.
Kleines Hausner-PS:
Wie lange das alles her ist (und wie viele Namen man jetzt fast PRO MONAT aus dem Telefonbüchlein streichen muß); daß «der wilde Rudi» z. B. auf einer meiner Parties am Leinpfad sich gegen Morgen in meinem Bett anfand; nicht alleine, selbstverständlich, sondern mit einer hübschen Kunststudentin. Wenn ich mich recht erinnere, wurde es dann die Dame an seiner Seite, die nun über «Nachlaß-Stempel» nachdenkt …
Ebenso lange ist es her, daß ich partout eines seiner schönsten Bilder kaufen wollte (er lebte damals in Hamburg und hatte auf Initiative von Wunderlich einen Lehrauftrag – mit Atelier – am Lerchenfeld), eines dieser Bilder, an denen er so unendlich lange, oft mehr als ein Jahr, malte und dessen FORMAT, nämlich lang und schmal, mir auch so gefiel (wie weiland das Beckmann-«Quappi»-Bild, das ich AUCH nicht gekauft habe). Ich hatte das Geld nicht, obwohl er mir einen generösen Preis gemacht hatte; er andererseits wollte partout, daß das Bild «in deiner Sammlung hängt, sonst kauft es ein sugar-king aus Caracas, und ich sehe es nie wieder, und bei dir hängt es in guter Gesellschaft». Doch selbst seinen Vorschlag, das Bild abzubezahlen, hielt ich für peinlich. Damals hatte ich «Ethos»: Ich fand, man darf ein Auto oder
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