Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
Endlos-Kette der Schmähungen, Verdächtigungen und Verleumdungen nun diese Woche wieder ein «Meisterstück» aus der Mist-Werkstatt: Über die Veränderungen in der ZEIT recherchierte ein junger Mann (der sogar ganz sympathisch und un-verspiegelt wirkte), u. a. bei mir. Vorbedingung: Werde ich zitiert, dann kriege ich das vorher zu sehen. Das wurde in die Hand versprochen – nun BIN ich zitiert, hab’s aber natürlich nie vorher gesehen. Und bin prompt FALSCH zitiert: Meine lustige Anekdote, ich habe – vor ca. 20 Jahren!!! – bei meinem «Antrittsbesuch» im Feuilleton als neuer Chef auf die leicht inquisitorische Frage nach meinem «Konzept» geantwortet: «Ich habe kein Konzept, ich habe nur meinen Kopf und meine Phantasie …», wird hier in die GEGENWART transponiert, so als habe ich das – wie es wörtlich heißt: «über meine Nachfolger spottend …» – herabsetzend auf die Dame Löffler und ihre Crew gesagt. Was nicht stimmt.
Die böse Macht dieses Blattes, die mir SEHR OFT geschadet hat, obwohl NIE etwas stimmte, bestenfalls zurechtgebogen war, was über mich dort stand (man denkt immer: «Aber über alle anderen – da wird es stimmen»; wenn das AUCH nicht der Fall ist, dann ist’s wirklich ein «Fall»).
Weder bin ich je auf Springers Grundstück in Kampen eingedrungen, um dort die Vietcong-Fahne zu hissen (was ein Stadtgespräch an «Recherche» hätte klarstellen können; indes ICH mich beim Gegner Springer schriftlich entschuldigt habe), noch habe ich mein Marxbuch «unter einer Tiffany-Lampe» geschrieben; weder gab es ein «Plagiat» im Marxbuch, wie der beißwütige Harich es in seiner Rezension behauptete (ich mußte klagen und GEWANN gegen den mächtigen SPIEGEL), noch konnte ich mich bei einem ausgelassen-alkoholisierten Tanz auf einem Gruppe-47-Fest mit Grass und Ute «nicht entscheiden, mit wem ich ins Bett gehen wollte» – selbst vor derlei Insinuationen schreckt des Herrn Augstein Blatt nicht zurück, der seinerseits einst bei Karin Wunderlich unangemeldet an der Tür klingelte, da er «gehört habe», hier würden Partousen veranstaltet. Diese Schleimspur zieht sich durch die Jahre, und nach dem Prinzip «etwas bleibt immer hängen», denn wenn der Hund ans Bein pinkelt, stinkt das Bein und nicht der Hund, hat’s eben doch «Effekt» gemacht: die (aufregende) Nachricht, in meinem Essayband MÄNNERÄNGSTE seien ein paar Seiten über Tucholsky abgedruckt, die ich schon einmal publiziert hatte (das Normalste der Welt in Essaybänden, sei es von Bloch, Adorno, Lukács oder Marcuse), oder kürzlich die Sensationsmeldung, ich habe – was stimmt – im Heine-Buch Marx und Lassalle (als Bismarckbesucher) verwechselt: immer ein Rüchlein-Spray «nicht gesellschaftsfähig, Achtung vor dem!».
31. Januar
Erwische mich – der sich so gerne über Journalisten-Eitelkeit mokiert – bei ziemlich widerlicher Journalisteneitelkeit: Wenn die USA dieser Tage Irak bombardieren, wird mein Brecht-Artikel nicht auf S. 1 der ZEIT (und eventuell sogar überhaupt nicht) gedruckt. Also wünsche ich inständig, daß die USA nicht bombardieren. Wie ekelhaft man sich selber sein kann … und das auch noch angesichts eines ganz klitzekleinen Artikelchens – wenn’s noch ein profunder Essay, gar ein Buch wäre. Schlimm.
13. Februar
Tagebuch übers Tagebuch, also eine gar sonderbare Eintragung: Bestürmt von allen Seiten – zuletzt von FAZ-Schirrmacher –, meine «Erinnerungen» festzuhalten, habe ich gestern «meinen» Verleger Niko Hansen/Rowohlt zu einem ausführlichen Gespräch über die mögliche (respektive nicht-mögliche) Publikation meiner Tagebücher gebeten. Zwiefältig eigenartig: Zum einen trat er mit Umarmung und «Ich bin tief bewegt» ein; zum anderen teilte er im Laufe des Kamin-Gesprächs durchaus, ernst und erwachsen, meine eigenen Bedenken, ob das angebracht, ratsam und richtig ist; denn: Als ich mit dem Tagebuch begann – mit DEM Teil, der nun erhalten und nun vorliegt; die Jahrgänge 1969 – 1970 habe ich ja verbrannt, weil «zu intim», nicht zuletzt wegen meiner Eckfried-Qualen und der anschließenden erotischen Finsternisse –, also: Als ich das begann, war’s nicht unter dem Aspekt einer möglichen Publikation. Das mendelte sich erst allmählich heraus, nachdem ich selber mehr und mehr das Gefühl hatte, damit ein Stück zeitgenössischer Kulturgeschichte zu fixieren.
Nun habe ich den Schwarzen Peter wieder in der Hand. Rowohlt würde, wenn. ICH weiß noch immer nicht
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