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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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Romancier … Zeit, Hosenhändler zu werden.
    24. Februar
    Erwische mich bei täglichen kleinen Fehlleistungen – Autoschlüssel (nach panischer Suche) im Müll gefunden; heißes Wasser in der Teekanne, der Tee im Müllbeutel; laufend Termine übereinandergebucht; und – das Schlimmste – kleine Sprachverluderungen, winzige kleine Versprecher – so steht auf einem meiner Einkaufszettel: «Badelsatz besoren».
    Ob mit dieser Unkonzentration auch meine Indolenz zusammenhängt? Denn in Wahrheit bin ich ja sehr unduldsam – was geht mich letzten Endes an, wie meine Pariser Freunde leben, ob und wann und wie oft sie auf Flohmärkte oder in die Oper gehen. Es ist IHR Leben, und jeder lebt, wie er lebt, was seinem «Lustprinzip» entspricht – für die umgekehrt ist es mindestens so absurd, daß ich nach Teneriffa in ein Spießerhotel fahre, um an einem Mallarmé-Essay zu schreiben, nicht zuletzt, weil sie sich – zu Recht – fragen würden: «à qui bon», wenn, dann lese ich Mallarmé selber und nicht den Kram, den Herr Raddatz da herausstochert. Aber MIR macht’s eben Spaß, dies «Durchforschen der Moderne», und wie die sich an ihrem 1000sten Täßchen oder Schüsselchen vergnügen, bereitet es mir ein geradezu physisches Vergnügen, in meinen Virginia-Woolf- oder Faulkner- oder Majakowski-Bänden die zig Lesezettelchen zu sehen: Das habe ich alles durchgearbeitet; geschweige denn das Lesen SELBER und das Schreiben drüber. Die halt: «Wir sind in die Berge gefahren und haben wunderbar gegessen und hinterher 3 Stunden geschlafen mit der Katze auf dem Bauch» – und ich: «Mir ist eine wunderschöne Formulierung gelungen.» Laß sie doch. Allenfalls dieses Credohafte, dieses hochmütig-verächtliche «Was WIR machen, ist gebildet, elegant und flaneurhaft kultiviert – alles andere ist blöd» wär zu kritisieren –.
    27. Februar
    Gestern Abendessen mit Gaus und seiner – von ihm mal huldvoll gepriesenen, mal herrisch zurechtgewiesenen – Frau. Er hat sich eigenartig verändert, gibt seine Depressionen und Enttäuschungen zu, seine Abhängigkeit vom «Betrieb» (der natürlich, mit dem bißchen TV und dem winzigen FREITAG, ihm nicht ausreicht). Bitter seine Schilderung, als er «niemand mehr war», wie der Herr ZEITchefredakteur ihn nicht mal mehr zurückrief, ihn kaum jemals einlud («Du, Fritz, warst in deiner Freundschaftlichkeit einer der wenigen» – wußte ich garnicht mehr).
    Am schwierigsten wohl diese Abhängigkeit (von «uns» allen?) von dieser zumeist sinnleeren Betriebsamkeit – nun hat der Mann ein großes Grundstück mit allerdings winzigem Haus in Spanien – auch das eine Absurdität, typisch für deutsche Intellektuelle: Die Hütte hat EINEN Raum von ca. 60 qm, keine Küche, und das Bad möchte ich nach dieser Beschreibung nicht sehen; warum gönnen sie sich nie Komfort, gar Eleganz oder Luxus (zumal die beiden sehr reich sind)???
    Gut, er hat das Ding also, könnte mühelos, wie beide selber erzählen, ein schönes Haus mit weitem Blick übers Meer dort bauen – aber sie wären halt weg von ZDF und FAZ und SPIEGELklatsch und, und («Und es gäbe keinen Fritz Raddatz dort»; nun ja …).
    Ach, wenn einem doch jemand Leben beigebracht hätte.
    Gran Hotel Bahia del Duque, Tenerife, den 7. März
    Das einzige bißchen Glück im ansonsten anödenden Hotel-Luxus: Ich beginne, Mallarmé zu verstehen; an einem Essay über den arbeite ich hier – mein Rettungs-Anker vor endgültiger Cafard-Havarie. Es ist die seit nunmehr Jahren selbe Situation, nur diesmal comfortabler: Wetter herrlich, meine wunde Haut erholt sich, das für mich ideale Atlantik-Klima – ansonsten die gräßlichen einsamen Abende im Speise-Saal (oder einem der 4 Luxus-Restaurants) neben Gebrauchtwagenhändlern mit dem Messer in der linken Faust, die schulterklopfend Veronika oder José zu den Kellnern sagen.
    Schlafe (zu) viel, aber schlecht, diesmal aus/mit schlechtem Gewissen gegen Gerd, der im Abstand von 2 Stunden beide Eltern separat in «Heime» abtransportieren lassen mußte, eine tränentreibende Aktion, die Mut, Verzweiflung und Tatkraft forderte – und an der ich per Ferngespräch teilnehme. Nicht sehr freundschaftlich. Doch er wollte nicht, daß ich blieb.
    Unruhe auch über den nun endgültigen Entschluß (habe von hier mit dem Makler telefoniert), nun doch die Wohnung in Nizza zu mieten. Eine Mischung aus Trotz und Vernunft; denn dies Hotel-Milieu erspare ich mir auf diese Weise, lieber sitze ich alleine und

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