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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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der meinen kritischen Befund über des Blattes Nicht-Kulturteil kaum verstand («Das ist nicht mein Métier!») und auf meine generelle Kritik an dieser Illustrierten mit dem Satz antwortete: «Welche ist denn besser?» Meine Replik, «daß andere schlechter sind, macht euch doch noch nicht gut», verstand er schon überhaupt nicht. Letztes Argument («letztes» im Doppelsinn des Wortes): «Wir haben die höchste Auflage.» Das kann man nicht mehr kommentieren.
    Hotel Hitthim, Insel Hiddensee, den 5. August
    Eine Hiddensee-Woche voller Wundersamkeiten. Hergefahren wegen der entsprechenden Scene in meiner Erzählung, schnuppere ich noch Vergangenheits-Luft, der Salzwind bläst mir die Sommer mit Ruth ins Gedächtnis, «Papa» Pisareks Lesung der Mannschen Joseph-Romane, zu denen sein Jiddisch so gut paßte, und meine Besuche im Erich-Arendt-Haus, das ich (von der 4. und letzten Muthesius-Frau bewohnt) besichtigte, ich sah die Badedecken und Strohhüte von Katja Arendt durch, hörte die – damals, ich war ca. 19, ein Schlüsselerlebnis – Gershwin-Platte. Der schlaue Fuchs Arendt hatte sich (es heißt, mit unlauteren Mitteln?) das schönste Haus der Insel «acquiriert». Ein Film «zurück»: Wo ich einst in kurzen Hosen und langem Lockenhaar auf der Terrasse stand, im Gerhart-Hauptmann-Haus (das Foto habe ich noch), das Leben und alle Hoffnungen vor mir – werde ich nun, eine «Zelebrität», aber ohne Haare, von der Direktorin empfangen. Details: «Der Radio», den Hauptmann hierher transportiert hatte – um Hitler-Reden zu hören, offenbar nicht angewidert. Die Mimin Inge Keller, Ex-Gemahlin des Eduard von Schnitzler, durfte sich hier auf direktes Dekret Honeckers ein Pracht-Sommerhaus im Naturschutzgebiet errichten. Heutiger Kommentar: damals SED, heute Kapital. Stimmt so ja nicht: Denn der viel zitierte Zahnarzt hat sich’s immerhin erarbeitet und die Baugenehmigung nicht von Gerhard Schröder (wie undenkbar!).
    Die Insel, Natur pur und fast unheimlich schweigend (weil autolos), zauberschön, aber auch – noch immer – Ost-verhext, genug des Primitiven, war für mich ein Widerspruch: Confitüre heißt hier nach wie vor «Brotaufstrich», und Gerhart Hauptmann hatte zwar einen beachtlichen Weinkeller – das Hotel hat ihn aber nicht.
    11. August
    Fortsetzung zum Stichwort «Verkommenheit des Kulturbetriebs»: Siegfried Unseld, auf einem «Künstlerfest» des Kulturministers Naumann (auf dem allerdings keine Künstler waren) zu seinem Jung-Autor Joachim Helfer, den er zum 2. Mal in SEINEM LEBEN SAH: «Was ist denn das für eine Party, zu der ein so vollkommen unbedeutender Verleger wie Joachim Unseld eingeladen ist? Nie wieder gehe ich zu dergleichen.»
    Rolf Hochhuth, zum 2. Mal von mir erinnert, ob er öffentlich dazu stehe (wenn ich das verwende), daß Augstein seinen Bismarck-Artikel mit dem Satz «Bismarck ist mein Thema!» aus dem Heft gefeuert hat: schweigt.
    14. August
    Vorgestern ein obligatorisch-skurriles Abendessen mit Kempowski (immerhin BESTEHT er drauf, die Rechnung zu begleichen). Er «reist» nur noch mit diesem Sekretär/Chauffeur, den er wie seinen Diener behandelt («Herr Hempel, haben Sie denn auch das Buch mitgebracht, das Raddatz mir widmen soll?»; «Herr Hempel, nun erzählen Sie mal Herrn Raddatz, wie wir mit dem Computer …!»). Auch im Vier-Jahreszeiten-Grill eher die Allüren des kleinen Mannes, der zu Geld gekommen: «Eure Bratkartoffeln sind nicht gut, neulich waren sie am Rand ganz verbrannt»; «Nein, keine Pfifferlinge, da ist immer Sand drin» – und der Kellner muß, in DIESEM Restaurant, höflich bleiben und beteuern, daß HIER kein Sand drin … das Wiener Schnitzel – weswegen man ja ohnehin nicht ins Vier Jahreszeiten gehen muß – erst hochgelobt, dann nicht gegessen, das Bier nicht ausgetrunken (ich werde wegen «Alkohol», i. e. Rotweins, gerügt), der Speck auf der Vorspeise des Dieners stibitzt bzw. vom servilen Oberkellner: «Sehr wohl, Herr Kempowski», für ihn nachgebraten und nachgebracht für eine inzwischen kalte Vorspeise, auf die auch gebratener Speck gar nicht paßt – und so. Ansonsten: Beuys «sehr nett, hat mir mal Kaffee und Kuchen angeboten» (womit der gesamte Kunstquark des Herrn Beuys ins positive Töpfchen geordnet); Reemtsma «gräßlich, hat mir nicht die Hand gegeben, und wie kann man dieses Entführungsbuch in der 3. Person schreiben, hätte ICH NIE getan»; Volker Braun «mag ich nicht, hat mal eine Lesung mit mir

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