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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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moralische Entgleisung beurteilte, sondern Ihre gesamte schriftstellerische Existenz VERURTEILTE, Ihnen geradezu den Titel ‹Schriftsteller› absprach.» Es war eine kühle Begegnung («Was wissen Sie davon?» war ihre uneinleuchtende Replik) und soll dann auch meine letzte mit der Dame bleiben. «Wir können ja mal darüber reden», meinte sie. Nein, können wir nicht.
    26. November
    Absonderlicher Brief von jenem Roland Links; paar Auszüge: «Zu dem, was in meinem Leben ‹geblieben› ist, gehörst DU …, was Du eine Mischung aus Frechheit, Temperament, Naseweisheit und Tempo nennst» – so hatte ich wohl, mich herabstufend, mich in meinem Antwortbrief, gleichsam ‹sachte, sachte› sagend, charakterisiert –, «ist noch nicht einmal die halbe Wahrheit. Es gelang und gelingt Dir immer wieder, Deiner sicher zu sein. Deine Gaben sind größer, und Du hast mehr aus ihnen gemacht. Du läßt Dich – wie Tucholsky – von Deinen Selbstzweifeln anspornen. Typen wie ich werden durch sie gehemmt … Mary wußte gut, warum sie Dich mit Tucholsky nahezu gleichstellte. Ich tue es auch, und das vor allem bestimmt mein Verhältnis zu Dir.»
    Hm, hm.
    4. Dezember
    Vorgestern mittag Enzensberger zum Déjeuner (was mir NIE und weniger und weniger bekommt: 2 Glas Champagner, mittags, werfen mich um).
    Die immer amüsanten, zierlichen Distanzvermessungen im so typischen Tonfall: «Jooo, der Herr Unseld …» oder: «Der nette Rühmkorf …», wohl wissend, daß ‹nett› tödlich ist und er es auch so meint, weil dann immer der Satz beschlossen wird mit: «Der schreibt einem ja da so Briefe und will Widmungen, die er einem unerbeten in seine Bichl neingemalt hat, leihweise zurück – um aus diesen Widmungskritzeleien wiederum ein Bichl zu machen, der Herr Rühmkorf.» Tot isser. Natürlich zugleich immer klug-treffend: «Im Solarplexus MUSS Grass ja wissen, daß es nach dem Anfangserfolg nur noch bergab ging.»
    Behäbig ist er nicht geworden, aber selbstgewiß (dabei durchaus zugebend, daß er in früherer Zeit NIE auch nur geträumt hätte, mal wohlhabend zu sein). Er WEISS, daß er eine Art Zentral-Macht in der deutschen Gegenwartsliteratur ist, daß er NEIN oder JA sagen kann, wann und wie er will, und ist dann doch, wie auch anders, auch er, ein bißchen älter geworden. Als hätte ich eine CD aufgelegt, kam mit exakt DENSELBEN Sätzen sein Bericht, den er mir neulich beim Abendessen in München «zur Lage von Hans Magnus Enzensberger» gegeben hatte: 300.000 Gedichtbücher insgesamt verkauft, das Mathematikbuch mit 750.000 Exemplaren ein veritabler Bestseller: «Dies alles ist mir unterthänig.» Wir tanzten einen hübschen Pas de deux und waren, als die Flasche leer war, die beiden einzigen, die in Deutschland klug, begabt, erfolgreich und berühmt sind.
    Gastgeschenk: keines.
    7. Dezember
    «UNBEDINGT sollte das als Buch erscheinen», schreibt mir die Verlagslektorin Runge des BELTZ Verlages zu meiner ZEITserie; «Es kann dir doch nicht schwerfallen, dafür einen Verlag zu finden», sagte dazu Antje Ellermann, Inhaberin eines Verlages; «Das wär’ ja ein Ding, wenn das nicht als Buch erschiene», sagt beim Abendessen mein Anwalt Kersten, engstens verknüpft mit dem Haffmans Verlag; «Für Sie ist es doch kein Problem, einen Verleger zu finden», sagt Hans Magnus Enzensberger beim Mittagessen, seines Zeichens Herausgeber der ANDEREN BIBLIOTHEK; «Du, nur du kannst die politische Geschichte der Nachkriegsliteratur schreiben», sagte vor paar Monaten Hanser-Verlagschef Krüger zu mir – und antwortet auf einen Brief nicht, mit dem ich ihm die ZEITserie zusandte; «UNBEDINGT mußt du das als Buch veröffentlichen», sagt mir Rolf Hochhuth gestern abend am Telefon, erwähnend, daß er – mit Erfolg – bei 3 Verlagen publiziere.
    24. Dezember
    Anruf Thomas Brasch (Quartals-Freund, wie andere Quartals-Säufer sind; man hört monatelang NICHTS von ihm, dann dreimal pro Nacht). Er ist eine einzige Paraphrase des Benn-Satzes: «Ichzerfall, der süße, tiefersehnte», den er über Kokain bzw. die eigne Kokain-Phase formulierte. «Damals war ich tief im Koks», sagt Brasch jetzt über das letzte Mal unserer Quartals-Säufer-Telefonate, in denen er strikt leugnete, Kokain genommen zu haben – – – wie er es JETZT leugnet zwischen hastigem: «Raddatz, ich liebe Sie» und «Ich muß jetzt rüber zu Peymann», weil er natürlich aus dem unter seiner Wohnung gelegenen Restaurant GANYMED telefoniert, gleichsam die Kantine

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