Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
bin zu «belastet». Es ist wirklich alles wie im Osten …
Selbst sogenannte «Freunde» – also nicht die richtigen, aber wohlwollende Bekannte à la Fritz Arnold oder andere – finden: «Na ja, Sie waren aber auch immer so scharf.» Einer sagte, ich sei eben nie ausgewogen gewesen, dieses von mir gehaßte Wort vom Tomatenmarkt; ich habe eben immer «engagiert», nie objektiv geschrieben – und das sei die Quittung. Engagiert als Vorwurf!
Da liegt die Ursache, warum jemand wie die Dönhoff, die ja wahrlich nicht schreiben kann, so großen Erfolg hat: die Journalistin als Dame oder umgekehrt. Sie schreibt eben immer, «aber man muß auch … verstehen», ob das nun Botha oder Jaruzelski ist, sie hat nie eine kämpferisch-dezidierte Meinung vorgetragen. DAS ist nicht fein, und das duldet man in Deutschland nicht – und diese alten Rechnungen werden aufgemacht. Meine Art Attacke gegen den unsäglichen BOOT-Film oder meine Glosse zur Springer-Böll-Beerdigung, mein Eintreten für Peter-Paul Zahl (von dem u. a., durch mich frei, jetzt nicht mal ’ne Karte kommt!) oder Boock oder Brückner, meine Artikel à la «Warum ich Pazifist bin» oder «Bruder Baader» – das will man in diesem Lande nicht. Es ist politisch tief versaut – und nicht mal der sich so links gebende Herr Reemtsma antwortet mehr auf meinen Brief.
Dafür schmeißt Augstein EIGENHÄNDIG Hochhuths Leserbrief aus dem SPIEGEL – wie niedrig kann man eigentlich noch sein. Und gestern abend erzählt mir seine derzeitige Geliebte, er schwärme so für mich, er sei mein Freund, er litte, er wolle mich anrufen (offenbar eine technisch nicht zu bewältigende Handlung), er habe neulich mit Ledig um die Wette mein Loblied gesungen.
Ich habe nur gesagt: «Rudolf ist ein Verräter – und ER ist es, der mich schließlich abgeschossen hat mit dem von ihm herausgegebenen Blatt.» Grass gestern an einem langen Nachmittag: Die von mir angestrebte Lösung sei zu unwürdig. Ich soll mich kündigen und auszahlen lassen und dann als freier Autor leben. Er hat das sehr lieb und freundschaftlich gemeint – es ist aber reiner Unsinn. Grotesk die «una sancta» der Spießer, für die ich das andere, also: schlecht riechende Tier bin. Eben sagt mir Biermann am Telefon, daß der generelle Haß eben auch mit dem Porsche, mit meiner Frisur (???), mit meinem «eleganten Habitus» zusammenhängt. Der Haß darauf, und auf meinen «Hochmut», ist stärker als jede politische Überlegung, gar Solidarität.
11. November
Gestern abend schöner Abend mit Paul Wunderlich, der der Gräfin ein «vergiftetes Billet» geschickt hat – ein zerknicktes Litho mit FJR-Schutzworten drauf; hebe ich auf. Paul rät VOR ALLEM, MICH UM DAS GELD zu kümmern – 180 Grad anders als Grass. Was für verschiedene Freunde ich habe, und beide meinen es ernst und gut mit mir.
Doch notierenswert die Reaktionen der Feigheit. Mayer findet seinen Briefwechsel mit Helmut Schmidt nun ganz «fabelhaft» – offenbar in 1. Linie die Tatsache, daß er eben eine Korrespondenz mit Schmidt hat und der ihm «sehr respektvoll» geantwortet hat; WAS er geantwortet hat, sagt er mir nicht – als handele es sich um Liebesbriefe. «Vertraulich». Aber es geht doch nicht um «vertraulich»?
Schoenberner – liebenswert – wirr wie immer und von Vorträgen, Leibschmerzen und Reisen erzählend – hat immerhin versucht, mit paar Leuten zu telefonieren, die meist (Frau Dürrenmatt) im Swimmingpool des Hotels nicht erreichbar oder beim Film (Schlöndorff, Kluge) oder «schon 85 Jahre alt, da muß man mit seinen Kräften haushalten» (Eggebrecht), sind. Wollte ich umgekehrt ein Interview, eine Magazin-Reportage machen – was wären sie alle gesund, jung, vorhanden. Selbst Pastor Albertz – auf der Messe noch einen ganzen Abend mich beim Kindler-Dinner umturtelnd (Kindler hatte zigmal angerufen, ob es auch ja bei der Verabredung bleibe, Albertz käme «nur Ihretwegen») – deutete allerlei Vorbehalte gegen FJR an. Also hat er nur mit der Funktion gegessen? «Der schauerlichen Gräfin» wolle er sowieso nicht schreiben. Man schreibt also nur an nette Leute in so einer Situation. Gneuss vom NRD – wo ich seit 25 Jahren Mitarbeiter bin – versichert mich seiner «Solidarität» – und schweigt. «Ich kann ja nichts machen.»
Und wie weit doch der «alltägliche Faschismus» geht: Ein alter Rentner-Trottel, der mich sonst liebedienerisch im Schwimmbad umhopste und mir irgendwelchen Quatsch über die ZEIT erzählte
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