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Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)

Titel: Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fritz J. Raddatz
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spüren – du liebst die Künstler, und du verachtest die Medien.» So, wie er sich wunderbar freundschaftlich verhält in diesen Tagen, so recht hat er.
    Das zweite: Was ist es nun, was mich so furchtbar verhaßt macht? Es kann ja wohl nicht die ewig vorgehaltene Automarke, die Hemden aus England oder die Bilder an den Wänden die eine Ursache sein? Ist sogar dieser Mechanismus, der mich Fehler begehen läßt, eine Art «Todestrieb»? Und ist die Ursache für den Haß vielgefächert? Homosexuell, jüdisch-schnell, zu sehr und zu oft Überlegenheit vorführend?
    12. Oktober
    Gespenstisch, meine Vorahnungen: Es ging alles zu gut, zu erfolgreich in der letzten Zeit; ich spürte förmlich, daß da von irgendwoher demnächst ein Blitz einschlagen wird. Man sagt, auch Herzinfarkte würden «vorausgeahnt». Nun also mein beruflicher Herzinfarkt.
    Diese «Affäre» – wenn auch der eigentliche Anlaß eine Lappalie ist, eine törichte Blamage, wie sie jedem passieren kann – überstehe ich nicht. Bin sogar skeptisch, wie ich als «freier Autor» überstehen soll und werde. 3

    Die schlimmste Erfahrung dabei allerdings: die absolute Dis-Loyalität; in der ZEIT und, mit ganz wenigen Ausnahmen, außerhalb.
    In der ZEIT Freitag eine Sitzung à la «Parteigruppe Rote Pumpe»: «Kritik und Selbstkritik des Genossen Raddatz.» Außer zwei Feuilletonkollegen kein einziger «Fürsprech». Ich meinte, nicht recht zu hören, wie einer der Redakteure, die den Artikel mit dem «Goethe-Fehler» gegengelesen hatten, und der vor 6 Monaten – «Sie sind der einzige, zu dem ich Vertrauen habe» – von mir berufliche Hilfe erbat, weil er mit Ted Sommer nicht mehr auskam –, wie der das Feuer eröffnete. Der 2. hatte mich vor genau 1 Woche um Unterstützung seiner Bewerbung zum Ressort-Chef Wirtschaft gebeten: «Ihr Wort hat Gewicht.» Jetzt kam aus demselben Munde: «Gewiß ist Raddatz farbig und anregend – aber der Preis dafür ist zu hoch geworden.»
    Und «außen»? Immerhin kam Enzensberger gestern extra für 2 Stunden angeflogen, haben Hochhuth, Habermas, Rühmkorf Briefe geschrieben und wollen Anders und Hrdlicka und noch ein paar … aber in toto : nix. Eben noch «Ohne Sie wäre es eine Katastrophe» oder «Nur Sie können …»; eben noch eine Eloge von der Suppe bis zum Nachtisch beim Abendessen mit Pastor Albertz, eben noch Dutzende von Gratulationen auf der Messe, ob zum Böll-Nachruf oder zum Springer-Böll-Artikel «Der Riß», eben noch von TV-Rosenbauer: «Ohne Sie säße ich nicht mehr, wo ich sitze» – nun ist Schweigen ringsum, ein paar Telegramme.
    14. Oktober
    Gestern, 13.! ZEITende, nicht ohne Pointe: Abendessen mit dem Herrn Sommer bei Austern; ZEITtypisch falsch-fein, fake antiquities. Zeigt mir fast amüsiert seinen pampigen Antwortbrief an Grass (der interveniert hatte).
    Am Ende des Abends Sommer: «Warum machen Sie nicht mal ein Interview mit Dürrenmatt oder Susan Sontag?» Mußte sehr höflich bleiben bei der Korrektur, daß beide ja vor Jahren erschienen …, ich dächte jetzt an Norman Mailer. Sommer: «Ach, ‹In cold Blood› und ‹From here to Eternity›» – mich wegen eines läppischen Fehlers rausschmeißen – aber Truman Capote mit James Jones und Norman Mailer verwechseln … Als ich von Breyten Breytenbach erzählte, hieß es: «Ach, dieser elsässische Schriftsteller.» Armer Freund Breitbach.
    Die Dönhoff – wie oft war sie mein Gast? Eben noch «ready to create a common foundation» – sagte zu Sommer: «Sie wollen den Mann doch nicht etwa im Hause behalten?»
    Der Silberdiener, der geklaut hat.
    Leeds Castle bei London, den 15. Oktober
    Übersetzungs-/Übersetzerkongreß von Weidenfelds «Fang», der Getty-Dame, arrangiert; alle sitzen wie die hungrigen Vögel mit aufgesperrtem Schnabel und denken: «Geld, Stipendien, Preise.»
    Mary McCarthy, George Weidenfeld und der englische Solschenizyn-Biograph erzählen bei dicken Zigarren am Kamin dieselbe Geschichte in 3 Versionen: Als Solschenizyn in der Schweiz war, gingen umfangreiche diplomatische Verhandlungen los, ob er sich mit Nabokov träfe.
    1. Version
    Er wollte, Nabokov auch. Die Damen tauschten Briefe. Als S. eine Schweiz-Tour per Wagen begann, schrieb Mme. S. an Mme. N., um Tag und Stunde in Montreux zu verabreden. Da nie Antwort kam – täglich Telefonate nach Zürich, ob Antwort eingetroffen –, stiegen die S. nicht aus dem Wagen vor dem Hotel, um nicht gesnobt zu werden.
    2. Version
    S. sei pünktlich in der Hotelhalle in

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