Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
war …» War es so, war ich so? Ist das, was ich als Heiterkeit meinte, als «Verpflichtung zu guter Laune», in Wahrheit schwer zu ertragen? Aber das ist es wohl: Vielleicht ist wirklich den meisten Menschen lieber, ganz «einfach» zu leben – Mensch-ärgere-dich-nicht zu spielen und seine Ruhe zu haben – als mein ständiges Rumbohren in Problemen und meine Eitelkeit. Aber alle Menschen sind doch eitel? Ich bin doch durchaus in der Lage, mich über mich selber lustig zu machen, über mein Alter, meine Häßlichkeit, meine Flecken auf der Haut, sonstwas.
11. Januar
Gestern Abschied vom ZEIT-Feuilleton-Ressort. War tief aufgewühlt, traurig, bin hinterher regelrecht zusammengeklappt. Es war wie das Weggehen aus der DDR – ich wollte es, und es war doch ein schmerzender Verlust.
Es ist hinter mir – und morgen fliege ich nach New York zum PEN-Kongreß.
19. Januar
Die New-York-Woche habe ich «durchweht» wie Zittergras, meiner selbst innerlich vollkommen unsicher, meinte gar, mein Zimmer im 44. Hilton-Stock «schwanke», so unruhig und unausbalanciert war ich. Nicht zuletzt wegen der merkwürdigen Zwittersituation: War/Bin ich denn nun der Mann von der ZEIT oder nur «auf Bewährung»; das alles hat doch viel in mir angerichtet, und das herrlich-stabile Selbstbewußtsein von Grass, der mir bei einem Drink im Trump Tower erzählt, er habe Ute morgens beim Aufstehen gefragt: «Bin ich nicht ein schöner Mann?» (worauf sie geantwortet hat: «Stattlich»), ist mir ganz fremd, zumindest abhanden gekommen.
Dazu trug natürlich auch die dort manifest werdende neue Situation bei: Ich sitze nun zwischen ALLEN Stühlen, bin nicht eigentlich «Schriftsteller» (war als solcher nicht eingeladen und auch kaum zu einer Party gebeten), aber auch nicht mehr richtig Journalist. Wenn ich bloß bald aus dieser Übergangszeit herausfinde. Man kann doch schließlich auch beides sein? Wen stört es, daß Umberto Eco Professor ist und Pasolini Journalist war, immer? … zig der auf dem Podium Diskutierenden begannen mit dem Satz: «When I was a journalist …» – wieso nur ist das hierzulande so fürchterlich aneckend?
Andrerseits (eine kleine consolation ): KUHAUGE erscheint nun definitiv in Amerika, bei einem der renommiertesten Verlage, wie ja auch der Pariser Verlag eine der ersten Adressen ist – also nicht irgendwelche obskuren Klitschen –, und solche Häuser tun das ja nicht (was man bei meiner nebbich Position in Deutschland immer unterstellen/befürchten kann), um sich bei einem vermeintlich mächtigen Mann der deutschen Literaturscene beliebt zu machen – das geht die nix an und interessiert sie nicht; sie müssen ja sogar (also: überzeugt von einer literarischen Leistung?) mich und so ein Buch GEGEN meine dortige Unbekanntheit durchsetzen. Ich drehe mich mit mir selber im Kreise: mein erstes Hörspiel gleich von 5 Sendern ausgestrahlt, in VIER Sprachen übersetzt, darunter absurderweise ungarisch (was ja bei HÖRspielen ganz und gar unüblich ist, sie zu drucken), meine Interviews fast regelmäßig in andere Sprachen, der Böll-Nachruf in zwei (Holländisch, Schwedisch), die Berufung nach Paris (von jemandem, der nun wahrlich nichts von mir im Do-ut-des-Verfahren will): Dann KANN doch nicht alles unterkietiger Mist sein, was ich produziere – – – – – was man mir aber in der deutschen literarischen Öffentlichkeit einreden will.
Mir ist New York zu mühsam, von allem zuviel, zu groß, zu laut, zu dreckig – was immer man tut, man muß anstehen und kämpfen, sei es ums Frühstück oder um den Lift oder um den Eintritt ins Museum (wobei, seltsames Detail, man in KEINER öffentlichen Garderobe mehr Pelzmäntel abnimmt, auch Mrs. Getty müßte also im dicken Pelz durchs Museum waten – ginge sie ins Museum). Apropos: Mit dem durchs viele Geld für den Verkauf seiner Grove-Press ganz verjüngten und vergnügten Barney Rossett aß ich einen Abend, und es berührte mich ausgesprochen unangenehm, wie er sagte: «Willst du Caviar, Champagner – bestell, was du willst – Ann Getty bezahlt alles» und dann sich den Abend hindurch NUR über sie lustig machte; immerhin hat er ihr seinen Verlag Grove-Press verkauft, irgendwie finde ich das ungehörig. Auch über George Weidenfeld nur Jokes – der übrigens wirklich TIEF in den Topf gegriffen zu haben scheint, nur noch im Pierres’ residiert, bis seine Wohnung fertig ist, und in einem der teuersten Skyscraper (bei Harpers) eine GANZE Etage für seinen neuen
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