Tagebücher: Jahre 1982-2001 (German Edition)
Februar
Heute ganz guter Dinge, weil gut in den Benn-Essay hineingekommen, der prall, rund und vielfacettiert wird.
Also: mein neues Leben als Schriftsteller – KUHAUGE in Amerika, Orden von Jack Lang in Paris, Sendungen, TV, gestern der Rowohlt-Vertrag für den neuen Roman und vorige Woche die ersten Verträge für die «Edition Raddatz» – peu à peu meine Bücher, die verstreut erschienen sind, als Taschenbücher bei Rowohlt gesammelt. Vielleicht geht’s?
11. Februar
Anruf von Fichte mit ganz entstellter Stimme. Ich weiß nie, ob er sich nur insceniert oder ob er wirklich so elend ist. Bin sehr durcheinander: spricht von Ende und Qualen und 5 Operationen in 3 Monaten. Aber vor 2 – 3 Monaten war doch noch garkeine Operation? Eben mit seiner Frau telefoniert, die sagt, er sei guter Dinge, nichts Ernstes stünde bevor, er habe mit Appetit Himbeeren mit Sahne gegessen. Wer lügt da wem was vor bzw. sich? «Lore macht sich nicht klar …» Sagt er am Telefon.
16. Februar
Etwas überspannte «Veranstaltungswoche» hinter mir: Zadekpremiere in HAMBURG, Botho-Strauß-Bondy-Premiere in Berlin, Abendessen mit Grass/Monk und ein anderes mit Rauch.
Beim Grass-Abend geradezu komisch, wie vehement Frau Monk Brecht gegen auch nur den kleinsten Einwand verteidigte. Er hat ihr wohl mal, als sie schwanger war, übers Haar gestrichen – davon verdreht sie noch jetzt die Augen, als sei das Kind von ihm. Muß eine eigenartige Macht über Frauen gehabt haben.
Grass übrigens (der den Namen Cioran nie gehört hatte) vollkommen bar jeden Verständnisses von dessen Vergeblichkeits-Philosophie – die mich im Moment sehr beeindruckt; obwohl’s eigentlich nur ein Gedanke ist, den er in allen Büchern variiert. Aber tut das nicht jeder – von Thomas Mann bis eben auch Brecht?
22. Februar
Shakespeare-Abend: Essen bei/mit meinen Mördern. Rätselhafte Einladung in den Anglo-German Club, offizieller Grund die Verabschiedung des Wirtschaftsressortleiters mit Helmut Schmidt, Bucerius, Sommer, Dönhoff etc. – – – wieso ich dabei? Wieder diese fake-antiquities : feiner Ton, aber alles gelogen. Selbst Lady Macbeth, wie die Dame nur noch bei mir heißt, plapperte auf mich ein (nachdem ich ihr nur kühl die Hand gegeben und guten Abend gesagt hatte) – – – und alle hatten sich wie einen Kindervers eingelernt: «Wunderbar, Ihr Rosa-Luxemburg-Aufsatz.» Wie damals nach dem Böll-Nachruf. Als gäbe es von mir nur diesen einen Artikel. «Bewährungsstück». Es war ziemlich unaufrichtig und pelzig-eklig. Die Bildung dieser Leute, die dann auch noch unsereins beurteilen, gar verurteilen, reicht bis zu Nicole Heesters, Ida Ehre und Justus Frantz. Und Siegfried Lenz ist ihr Proust. Puh.
Relais Christine, Paris, den 28. Februar
Unruhige Tage in Paris. Finde meine Balance nicht, liege im Bett, statt durch die Stadt (im Schneematsch!) zu streunen. Erster Abend: allein und eher trist in der Coupole.
Das einzig Erfreuliche: Ich kann meine Vorlesung auf Deutsch halten im Frühjahr.
Der einzig «volle» Abend gestern mit einem Freund im «Closerie des Lilas» (schlechtes, teures Essen) – aber auch schmerzhaft, warnte mich: Ich solle nie glauben, wenn Leute freundlich zu mir sprächen, auch Wunderlich oder Grass würden das nicht meinen, geschweige denn ehemalige Mitarbeiter.
Ziemlich betäubt davon ins Bett.
Paris, Montag
Komme eben vom Gespräch mit Cioran, das mir gelungen scheint, reich, inhaltsvoll. Der Mann mag mich, kam ja damals extra zu meiner Lesung und «stellte sich vor» (schwärmte eben wieder von meinem Heine-Buch und von «Kuhauge»). Vieles, was er schreibt, geht mir sehr nahe. Wenn man sieht, wie bescheiden, gar kläglich so ein doch bedeutender Mann lebt – und ich will eine Suite im «Claridge» für die 4 Wochen meiner Vorlesungen mieten. Schamvoll nur: Ich kann nicht, mag nicht und muß ja auch nicht wie ein Student leben.
Zu Cioran noch: Lebensekel, Nihilismus – aber: «Ich habe Ihnen schon Fotos von mir bereitgelegt» … die übrigens so geschönt sind, daß ich ihn nie darauf erkannt hätte.
Er zitterte dem Gespräch offenbar entgegen.
8. März
Hubert Fichte liegt, wenn nicht alles täuscht, wirklich im Sterben. Der Gedanke will nicht Platz greifen in meinem Kopf – – – eben habe ich noch über ihn gesagt, er «übertreibt sogar noch seine Krankheit», als er mich abends so «dramatisch» angerufen hatte. Und nun sagt mir Leonore Mau, das Lymphom, wohl eine seltene, aber unheilbare,
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