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Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)

Titel: Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nika Lubitsch
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der Architekt dieser Villa hieß?“, fragte Judith. Ihr war gerade klar geworden, warum Frau Dr. Linda Sprengler so schnell und ohne Rückfrage das Interview genehmigt hatte. Sie sah in ihr ein kostenloses und willkommenes PR-Instrument für ihre Klinik.
    Nun ja, umsonst gehofft, Frau Doktor.
    „Völlig unbekannt“, sagte sie. „Aber das Baujahr kann ich Ihnen sagen: 1887. Pudding-Barock mit Zuckerguss. So sieht es jedenfalls aus.“
    „Wie kommt man an so ein wunderbares Haus?“
    „Indem man es erbt“, sagte Linda Sprengler trocken und nahm eines der Fläschchen mit der chinesischen Schrift in die Hand. „Wir haben seit einigen Jahren eine Kooperation mit chinesischen Ärzten“, begann sie. Judith unterbrach sie, so schnell konnte man sie nicht ablenken.
    „Ihre Familie hat das Haus also bauen lassen?“, fragte sie, als Frau Sabine mit einer Kanne und zwei Teetässchen auf einem silbernen Tablett das Zimmer betrat.
    „Mein Vater hat es zusammen mit einem Kollegen als Klinik gekauft“, sagte Linda.
    „Unser chinesisches Geheimrezept“, sagte Frau Sabine und goss eine Flüssigkeit, die aussah wie frischer Morgenurin, in die zierlichen Tassen.
    „Danke Bienchen“, sagte Linda und aus ihrem Ton entnahm nicht nur Judith, dass Sabine entlassen war. Sie verzog sich stumm und schloss leise die Tür.
    „Dieser Tee bewirkt kleine Wunder“, sagte Linda und ergriff mit ihren geräucherten Fingern eine Tasse. Judith tat es ihr wohl oder übel nach. Das Zeug schmeckte genauso, wie es aussah.
    „Es entwässert, es senkt den Cholesterinspiegel, es regt ein bisschen an und niemals auf, es ist ein Jungbrunnen. Wir trinken jeden Tag mindestens eineinhalb Liter davon“, sagte sie. „Seitdem sind wir nicht mehr krank.“
    Judith war sich sicher, dass sie nicht mehr als einen Schluck von dem Gebräu hinunter bekommen würde. Jetzt hatte die Sprengler sie schon wieder auf ihre verfluchte Klinik gelenkt.
    Ich führe hier das Interview, Lindi!, dachte sie.
    „Erzählen Sie mir noch ein bisschen über dieses Haus. Sind Sie und Ihr Bruder hier aufgewachsen?“
    „Ja“, antwortete Linda lächelnd, und zum ersten Mal kam dieses Lächeln in den Augen an. „Ja, Siggi und ich sind hier geboren worden. Aber das Haus war nie ein Privathaus, es war immer eine Klinik. Schon unser Vater hat hier eine Privatklinik geführt. Wir haben immer in der Remise gelebt.“
    „Ihr Vater hat auch plastische Chirurgie betrieben?“
    „Ja, allerdings steckte die plastische Chirurgie damals noch in den Kinderschuhen. Aber es gab natürlich die Wiederherstellungschirurgie, auch damals hatten Menschen Unfälle, die sie entstellten. Und nicht zu vergessen, die ganzen Kriegsversehrten.“
    „Das heißt, Sie sind mit der Klinik aufgewachsen.“
    „So könnte man es nennen. Andere Kinder spielen wahrscheinlich mit der Pfeife oder dem Feuerzeug ihres Vaters, wir haben uns Skalpelle gemopst und damit Figuren geschnitzt.“ Wieder trat ein Leuchten in ihre Augen, das Leben in ihr starres Gesicht brachte.
    „Sie haben also bereits als Kinder angefangen, neue Gesichter zu formen?“, fragte Judith.
    „Alle Kinder spielen Arzt.“
    Judith nickte. Wie wahr.
    „Wollte Ihr Vater, dass Sie die Klinik übernehmen?“
    „Er wollte, dass mein Bruder die Klinik übernimmt. Meinen Ambitionen stand er eher hilflos gegenüber. Ein gutes deutsches Mädchen heiratet und wird Mutter.“ Das Lächeln war aus Lindas Augen verschwunden.
    „So war die Zeit wohl damals. Ihr Bruder wusste also schon als Kind, dass er in Vaters Fußstapfen treten würde“, bemerkte Judith.
    „Er wurde reingetreten. Unser Vater hatte ziemlich genaue Vorstellungen, wie unsere Zukunft auszusehen hatte. Da gab es keinen Widerspruch.“
    „Aber Sie haben doch widersprochen“, stellte Judith fest. Denn Linda war ihrer Recherche nach bis heute unverheiratet und kinderlos geblieben.
    „Als ich hier anfing zu arbeiten, war mein Vater bereits gestorben. Gegen ein Medizinstudium an sich hatte er nichts einzuwenden. Vielleicht kennen Sie das Motto: Wenn du bis zum achtzehnten Semester keinen Doktor hast, musst du selbst einen machen. Er sah die Uni als gesellschaftlich akzeptable Veranstaltung für junge Mädchen an.“
    „Was Ihren Ehrgeiz sicher angestachelt hat.“ Diesmal lächelte Judith.
    „Natürlich. Ich war ehrgeiziger als mein Bruder. Der musste ja Arzt werden, ich durfte Ärztin spielen.“
    „Hätte Ihr Bruder lieber einen anderen Beruf ergriffen?“, fragte Judith.
    „Es

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