Tages-Deal: Kudamm 216 - Erbsünde (German Edition)
Flasche hatte. Verdammt, Wolfgang, dachte er, du trinkst zu viel.
Er hatte sich schon gewundert, warum das Bild nicht beim Herunterfallen aus dem Rahmen gesprungen war, jetzt sah er auch, warum. Es klebte am Rahmen fest. Wolfgang stellte das Bild auf die Erde vor den Schubladenschrank. Aus seinem Kühlschrank holte er Milch, die er mit Olivenöl und Salzsäure zu einem Lösungsmittel vermischte.
Sein Telefon klingelte. Später konnte er nicht mehr genau sagen, wie es passiert war. Er hatte den Drehstuhl zur Seite geschoben, sich offensichtlich daran festgehalten, der Stuhl war weggerutscht, gegen das Bild, das Bild war umgefallen und er hatte die Balance verloren. So ungefähr. Tatsache war, dass er mit dem Hacken im Bild hängen geblieben war und irgendwie gefallen war. Fluchend hatte er sich aufgesetzt, das Telefon klingelte immer noch, er ließ es klingeln. Verdammt.
Er betrachtete die Bescherung. Es gab keinen Zweifel, das Bild hatte unten am Rand einen Riss.
Hatte Judith nicht gesagt, das wäre eine billige Kopie? Aber seine Tochter sollte doch Ehre einlegen mit ihrem Vater.
Er hörte schon ihre Stimme: „Aber Papa, wie konntest du nur.“ Oh ja, er hatte gesehen, wie sie die Flaschen stumm zusammengeräumt hatte, er wusste, was sie dachte: Der verwahrloste Alte säuft. Und dann macht er im Suff auch noch etwas kaputt, was ich ihm zu treuen Händen überlassen habe. Auf den ist kein Verlass mehr.
Wolfgang rappelte sich auf. Das würde er nicht auf sich sitzen lassen. Er war der beste Möbel-Restaurator, den es gab, aber für Gemälde gab es einen anderen: Egon Romanowski, sein alter Kumpel aus dem Maxim-Gorki-Theater. Egon hatte sich auf das Restaurieren von alten Gemälden spezialisiert.
„Romanowski“, bellte es aus dem Handy. Wolfgang berichtete von seinem Unglück. „Kommʼ rüber, dit kriegen wa wieda hin“, sagte Egon.
Auf die alten Kumpels konnte man sich noch verlassen. Wolfgang betupfte von hinten den Rand des Bildes mit seinem Wundermittel. Das Bild löste sich sanft aus dem derangierten Rahmen. Er wickelte es in eine Decke. Egons Datscha war nur ein paar Straßen weiter, so dass Wolfgang zu Fuß hinlaufen konnte. Im Hinausgehen nahm er eine neue Flasche Korn aus dem Eisfach seines Kühlschranks und steckte sie in seine Kitteltasche. Er dachte nicht daran, seinen Kittel auszuziehen, er gehörte seit Jahrzehnten genauso zu ihm, wie der dunkle Anzug zu einem Banker.
Maria googelt
„Ich habe hier ein kleines Dossier für Sie zusammengestellt“, sagte Maria und legte Alice einen dicken Schnellhefter auf den Tisch. Alice guckte nicht von ihrem Bildschirm auf.
„Erzählen Sie mir, was drinsteht“, sagte sie.
„Ich habe es tabellarisch zusammengefasst“, sagte Maria.
„Setzen Sie sich, Schätzchen, ich will es hören, jetzt, nicht lesen.“
Alice drehte sich in ihrem Stuhl um und fixierte sie. Maria machte ein Gesicht, als ob ihr jemand auf den großen Zeh getreten wäre. Himmel, warum war die Braut eigentlich so empfindlich. Alice lehnte sich zurück.
„Also … Marek Machowina. Wer ist das?“
Maria setzte sich und nahm ihre Brille ab. Alice fand, dass sie ohne Brille wesentlich reizvoller aussah. Sie fragte sich, warum diese intellektuellen Mädchen sich immer so hässlich machen mussten. An Marias Stelle würde sie Kontaktlinsen tragen. Aber nun gut, wenn Frau Dr. Porn diese Brille als Seelenschützer brauchte, ihr war es egal.
„Marek Machowina ist ein Schwerverbrecher“, begann Maria ihren Bericht. „Er ist vor neun Jahren in Hamburg zu lebenslanger Haft verurteilt worden.“
„Weswegen?“, fragte Alice
„Wegen Mordes, Anstiftung zum Mord, Bandenbildung, schweren Raubs, Erpressung, Zuhälterei – eigentlich hat er nichts ausgelassen.“
„Interessant“, meinte Alice.
„Er ist gebürtiger Pole mit deutschem Pass. Auch in Polen wird er wegen ähnlich schwerer Verbrechen gesucht.“
„Wieso gesucht, ich denke er ist vor neun Jahren verurteilt worden. Hat man ihn begnadigt?“
„Nein, dazu gab es keine Chance, bei dem Sündenregister und den Vorstrafen. Er ist vor acht Jahren aus der Strafanstalt Fuhlsbüttel ausgebrochen.“
„Halleluja!“, rief Alice und lehnte sich in ihrem Sessel zurück. Sie griff nach ihrem Gummiball und fing an, diesen zu bearbeiten.
„Und seitdem ist er verschwunden. Wie vom Erdboden verschluckt.“
„Schlau“, sagte Alice, in deren Kopf es arbeitete wie in einem hochfahrenden Computer.
„Er war der Kopf einer
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