Tai-Pan
nach verfaultem Fisch stank. »Mir wird sehr übel werden, wenn hier bleiben. Darf ich an Deck gehen?«
»Warte, bis wir Kanton ganz hinter uns haben. Hier unten bist du sicherer. Viel sicherer.«
»Wie lange wir brauchen, bis wir China Cloud begegnen?«
»Kurz nach Tagesanbruch – wenn Mauss sich nicht im Treffpunkt irrt.«
»Ist das möglich?«
»Bei dieser Ladung ist ohnehin alles möglich.« Struan hob eine der Musketen auf. »Weißt du, wie man mit so einem Ding umgeht?«
»Für was sollte ich Gewehre schießen? Ich bin eine zivilisationierte, angsterfüllte alte Frau – von großer Schönheit, zugegeben, aber nix Gewehre.«
Er zeigte es ihr. »Wenn außer mir jemand die Kajüte betritt, bring ihn um.« Er nahm noch eine Muskete und stieg zurück an Deck.
Die Lorcha befand sich nun im mittleren Fahrwasser, in strahlendem Mondschein; sie lag schwer und tief im Wasser und machte etwa vier Knoten. Noch immer kamen sie an den Vorstädten von Kanton vorbei. Beide Ufer des Flusses waren dicht mit schwimmenden Dörfern besetzt. Von Zeit zu Zeit begegneten sie Booten, Sampans und Dschunken, die sich flußauf arbeiteten. Der Fluß war dort eine halbe Meile breit; vor und hinter ihnen trieben Boote aller Größen flußab.
Struan erkannte am Himmel, daß das Wetter schön bleiben würde, aber der Wind war weich und trocken, irgendwie körperlos, und hatte nichts Erfrischendes an sich. Er wußte, daß dieser Wind nachlassen und ihre Geschwindigkeit noch geringer werden würde. Aber er machte sich keine Sorgen; diese Strecke hatte er so viele Male zurückgelegt, daß er die Untiefen, die Strömungen, die Einmündungen der Nebenflüsse und die Orientierungspunkte genau kannte.
Das Gebiet um Kanton bestand aus einem Gewirr von Wasserstraßen und großen und kleinen Inseln, die eine Fläche von rund fünf zu zwanzig Meilen bedeckten. Es gab viele verschiedene Möglichkeiten, flußauf und flußab zu fahren.
Struan war glücklich, wieder auf einem Schiff zu stehen. Und er war froh, daß ihre Fahrt zur Marmorpagode begonnen hatte. Er fing das leichte Schwanken der Lorcha mit dem Körper auf. Wung stand neben dem Mann am Ruder, und die Mannschaft hatte sich feindselig und mürrisch über das Deck verteilt. Struan vergewisserte sich, daß der Ausguckposten auf dem Vorschiff stand.
Vor ihnen, etwa eine halbe Meile entfernt, gabelte sich der Fluß vor einer Insel. In der Nähe dieser Gabelung lag eine Untiefe, der man ausweichen mußte. Struan sagte nichts und wartete. Er hörte, wie Wung etwas zu dem Mann am Ruder sagte, der es herumdrückte und die Lorcha in sicherem Abstand von der Untiefe hielt. Gut, dachte Struan. Zumindest kannte Wung einen Teil dieser Wasserstraßen. Nun war er neugierig, welchen Weg Wung um die Insel herum einschlagen würde. Beide Strecken waren gut, aber die im Norden besser als die südliche. Die Lorcha blieb bei ihrem Kurs und nahm Richtung auf den nördlichen Wasserarm. Struan wandte sich um, schüttelte den Kopf und deutete auf die südliche Wasserstraße, für den Fall, daß Wung einen Hinterhalt gelegt haben sollte.
Der Mann am Ruder sah, um eine Bestätigung zu erhalten, zu Wung hinüber. Struan machte nur eine kleine Bewegung auf den Mann zu. Das Ruder wurde sogleich hinübergedrückt, und die Segel schlugen eine kurze Weile, bis die Lorcha auf ihrem neuen Kurs lag.
»Für was diesen Weg nehmen, heja? Für was mich schlagen? Viel schlimm. Sehr viel.« Wung trat ans Schandeck und starrte in die Nacht hinein.
Der Wind frischte ein wenig auf, und die Lorcha machte etwas mehr Fahrt, als sie in den südlichen Wasserarm einfuhren. Als sie sich dem Ende dieses Schlags näherten, machte Struan dem Mann am Ruder ein Zeichen, das Ruder herumzudrücken. Langsam gehorchte das Schiff, und die Segel schlugen, bis der Wind sie auf dem neuen Kurs erneut blähte. Die Großbäume schwenkten knarrend über das Deck hinweg, das Schiff legte sich ein wenig auf die Seite und begann erneut Fahrt zu machen.
Er befahl, die Segel zu trimmen, und eine halbe Stunde lang segelten sie inmitten der anderen Schiffe auf dem Fluß glatt dahin. Dann erblickte Struan plötzlich am Rand seines Gesichtsfeldes eine große Lorcha, die auf Luvseite mit hoher Geschwindigkeit auf sie zukam. In ihrem Bug stand Brock. Struan duckte sich, stürzte zum Ruder hinüber und stieß den Rudergast zur Seite. Wung und der Rudergast waren bestürzt und redeten erregt aufeinander ein. Die ganze Mannschaft beobachtete Struan.
Er drückte
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