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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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die Ruderpinne hart nach Steuerbord und betete, daß die Lorcha dem Ruder rasch gehorchte. Schwach vernahm er Brocks Stimme: »Ruder hart Steuerbord, rum damit!« – und er fühlte, wie der Wind aus seinen Segeln genommen wurde. Struan stieß das Ruder zur anderen Seite hinüber, um das Schiff herumzudrücken und auf anderen Kurs zu gehen; aber die Lorcha gehorchte nicht mehr, und Brocks Lorcha kam längsseits. Er sah, wie die Enterhaken zuschlugen und sich festbissen. Er hob die Muskete.
    »Ach, Sie sind es, Dirk, bei Gott!« rief Brock und tat erstaunt. Er lehnte am Schandeck, ein breites Lächeln auf dem Gesicht.
    »Einschlagen von Enterhaken bildet einen Tatbestand der Seeräuberei, Brock!« Struan warf sein Messer, Griff voran, Wung zu. »Entertrossen durchschneiden, schnell-schnell!«
    »Ganz richtig, Struan. Bitte wegen der Enterhaken um Entschuldigung«, erwiderte Brock. »Ich dachte, es wär' 'ne Lorcha, die ein Schlepp braucht. Habe keine Flagge von Ihnen am Topp gesehen. Sollten Sie sich etwa ihrer schämen?«
    Struan sah, daß Brocks Mannschaft bewaffnet war und die Leute auf Gefechtsstation standen. Gorth stand auf dem Achterdeck neben einer kleinen schwenkbaren Kanone, und obwohl die Kanone nicht auf ihn gerichtet war, wußte er doch, daß sie geladen und schußfertig war. »Wenn Sie das nächstemal ein Schiff von mir zu entern versuchen, gehe ich davon aus, daß es sich um Piraten handelt, und knalle Ihnen den Kopf runter.«
    »Erlaubnis, an Bord zu kommen, Dirk?«
    »Ja.«
    Brock wand sich durch das Tauwerk seines Schiffes hindurch und sprang an Bord. Drei Mann schwangen sich aufs Schandeck, um ihm zu folgen, aber Struan riß nochmals die Muskete hoch und brüllte: »Zurück! Wer ohne Erlaubnis an Bord kommt, den jage ich zur Hölle.«
    Die Männer blieben stehen.
    »Ganz richtig«, sagte Brock spöttisch. »Das Gesetz der Meere. Der Kapitän lädt den ein, den er mag, die anderen nich'. Bleibt, wo ihr seid!«
    Struan versetzte Wung einen Stoß. »Los! Entertrossen durchschneiden!«
    Der verängstigte Chinese stürzte vor und begann an den Trossen herumzusäbeln. Gorth schwenkte die drehbare Kanone herum, und Struan richtete seine Muskete auf ihn.
    »Laß bleiben, Gorth!« rief Brock scharf.
    Das Gesetz der Meere war auf Struans Seite: Entern war nun einmal Seeräuberei. Bewaffnet und ohne Erlaubnis ein Schiff zu betreten, war ebenfalls Seeräuberei. Von allen Gesetzen Englands wurde keins so eifrig geschützt und notfalls erzwungen wie jene, die den Schiffen auf hoher See und den Befugnissen des Kapitäns an Bord galten. Für Seeräuberei gab es nur eine Strafe: den Strang.
    Wung durchschnitt die letzte der Trossen, und die Schiffe begannen auseinanderzutreiben. Als Brocks Lorcha dreißig Fuß entfernt war, setzte Struan die Muskete ab und brüllte zu ihr hinüber: »Wenn Sie sich mir ohne Erlaubnis auf weniger als fünfzig Fuß nähern, klage ich Sie der Seeräuberei an!« Dann lehnte er sich ans Schandeck. »Was soll das alles, Tyler?«
    »Das könnte ich Sie auch fragen, Dirk«, antwortete Brock unbekümmert. »Hab' Sie gestern in dem Sampan verschwinden sehen.« Seine Augen schimmerten im Licht der Laterne. »Dann hab' ich Sie gesehen, richtig komisch verkleidet wie 'n Kuli, und hol mich doch der Teufel, Sie sind zurück in die Faktorei. Seltsam, hab' ich mir gesagt. Vielleicht dreht der alte Dirk durch. Oder vielleicht braucht der alte Dirk Hilfe, um heil aus Kanton rauszukommen. So sind wir erst mal flußab gesegelt, dann zurückgeschlichen und haben nördlich der Niederlassung geankert. Und dann ham wir Sie an Bord dieses elenden Kahns steigen sehen. Sie und zwei Weiber.«
    »Was ich tue, ist meine Sache.«
    »Tja, mag sein.«
    Struan versuchte Ordnung in seine Gedanken zu bringen. Er wußte, daß Brocks Lorcha schneller war als die seine. Brock hatte eine gefährliche und gut bewaffnete Mannschaft. Er allein konnte es mit diesen Leuten gar nicht aufnehmen. Er verfluchte sich, denn er war viel zu zuversichtlich gewesen und hatte nicht genügend aufgepaßt.
    Aber wie hätte er Brock beobachten können, als dieser flußaufwärts wieder zurückschlich? Und wie konnte er Brock jetzt zu seinem Vorteil ausnutzen? Es mußte eine Möglichkeit geben. In der Nacht konnte dieser ihn ohne Schwierigkeiten überrennen, und selbst wenn er es überlebte, könnte er doch kaum etwas beweisen. Brock würde immer behaupten, es habe sich um ein Unglück gehandelt. Außerdem, May-may konnte nicht

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