Tai-Pan
Eines Tages werden sie ohne unser Zutun ausschwärmen. Und ich sage euch, wir müssen ihnen zeigen, wie wir leben.«
»Das ist unmöglich. Du wirst sie niemals ändern. Niemals. Es ist vergeblich.«
»So lauten die Bedingungen. In fünf Monaten bist du Tai-Pan. Im Lauf der Zeit wird Culum dir nachfolgen – falls er sich als würdig erweist.«
»Großer Gott!« entfuhr es Robb. »Und dafür hast du all die Jahre gearbeitet?«
»Ja.«
»Ich habe immer gewußt, daß du deine Träume hattest, Dirk. Aber das – das ist einfach zuviel. Ich weiß nicht, ob es ungeheuerlich oder wunderbar ist. Es geht über meinen Verstand, meine Vorstellungen hinaus.«
»Vielleicht«, antwortete Struan. Seine Stimme klang hart. »Aber es ist eine Voraussetzung, wenn du überleben willst, Robbie, du und deine Familie. In fünf Monaten bist du Tai-Pan. Für mindestens ein Jahr.«
»Ich habe dir schon früher gesagt, daß ich das für eine unkluge Entscheidung halte!« Robb loderte auf, sein Gesicht war verzerrt. »Ich habe weder die Erfahrung noch die Verschlagenheit, um mit Leuten wie Longstaff umzugehen oder Noble House sicher durch diese kriegerischen Intrigen durchzusteuern. Oder mit den Chinesen fertig zu werden.«
»Das weiß ich. Und ich kenne auch das Risiko, das ich damit eingehe. Aber jetzt gehört Hongkong uns. Der Krieg wird ebenso schnell vorbei sein wie der vorige.« Struan wies auf die Silberbarren. »Dies ist ein Felsen, der sich nicht so leicht abtragen läßt. Von jetzt ab geht es darum, damit Handel zu treiben. Und du bist ein guter Händler.«
»Es ist ja nicht der Handel allein! Da sind Schiffe, die bemannt werden müssen; da sind Piraten, gegen die man kämpfen muß; da gibt es Brock, mit dem wir uns auseinandersetzen müssen, und tausend andere Dinge.«
»In fünf Monaten sind die wichtigsten erledigt. Was dann noch bleibt, ist deine Sorge.«
»Ist es das wirklich?«
»Natürlich. Mit diesen Silberbarren im Hintergrund sind wir heute mehr als drei Millionen wert. Wenn ich von hier wegreise, nehme ich eine mit. Und zwanzig Prozent der Gewinne auf Lebenszeit. Du machst das gleiche.« Er streifte Culum mit einem Blick. »Wenn deine Zeit als Tai-Pan um ist, werden wir zehn Millionen wert sein, denn ich werde euch und Noble House vom Parlament aus schützen und es unvorstellbar reich machen. Wir brauchen uns nicht länger auf Sir Charles Crosse, Donald MacDonald, McFee, Smythe, Ross verlassen, oder wie sie alle miteinander heißen, die wir unterstützen, damit sie sich für uns verwenden – das mach' ich von nun an selber. Und ich komme immer wieder nach Hongkong, so daß ihr beiden euch keine Sorgen zu machen braucht.«
»Ich möchte nur so viel Vermögen haben, daß ich ruhig vor mich hin träumen und friedlich aufwachen kann«, erklärte Robb, »und zwar in Schottland. Nicht im Fernen Osten. Ich will nicht hier sterben. Ich reise mit dem nächsten Schiff ab.«
»Ein Jahr und fünf Monate, ist das zuviel erbeten?«
»Es ist keine Bitte, Dirk, es ist eine Forderung.«
»Ich zwinge dir nichts auf. Vor einem Monat, Robb, wärst du noch bereit gewesen, fünfzigtausend auf die Hand anzunehmen und deines Weges zu ziehen. Meinetwegen. Dieses Angebot halte ich aufrecht. Wenn du das haben willst, worauf du von Rechts wegen Anspruch hast – mehr als eine Million – so erhältst du es innerhalb von zwei Jahren.« Struan wandte sich Culum zu. »Und von dir, mein Junge, erbitte ich zwei Jahre deines Lebens. Wenn du Tai-Pan wirst, weitere drei Jahre. Alles in allem fünf Jahre.«
»Habe ich von hier zu verschwinden, wenn ich auf die Bedingungen nicht eingehe?« fragte Culum. Seine Lippen waren trocken, und sein Herz schlug zum Zerspringen.
»Nein. Dann bist du immer noch ein Kompagnon, wenn auch nur ein kleiner. Tai-Pan wirst du dann nie. Dann werde ich einen anderen suchen und auf seine Aufgabe vorbereiten müssen. Ein Jahr ist das höchste, was ich von Robb erbitten – fordern – kann. Er ist schon elf Jahre mit dabei.« Er nahm einen der Barren in die Hand. »Du mußt dich erst noch bewähren, Culum, selbst wenn du jetzt deine Zustimmung gibst. Du bist zwar der rechtmäßige Erbe. Aber du sollst dich nicht an meinem noch an Robbs Schweiß mästen. Das ist das Gesetz unseres Clans und es ist ein brauchbares Gesetz. Jeder Mann muß auf eigenen Füßen stehen. Selbstverständlich werde ich dir nach besten Kräften helfen – solange ich am Leben bin –, aber du mußt beweisen, was du taugst. Nur ein echter Mann
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