Tai-Pan
paar waren auch über Indien und das spanische Südamerika verstreut.
Parlan Struan schrieb, daß Alastair McCloud, der Robbs Schwester Susan geheiratet hatte, mit seinem Sohn Hector aus London zurückgekehrt war und wieder in Schottland lebte – der Verlust Susans und seiner Tochter Clair durch die Cholera lastete schwer auf ihm und hatte ihn fast gebrochen. Außerdem hatte Parlan einen Brief von den Kerns erhalten – Flora, Dirks Schwester, hatte Farran Kern geheiratet, und im vergangenen Jahr waren sie nach Norfolk, Virginia, ausgewandert. Die Reise war ohne Zwischenfälle verlaufen. Sie und ihre drei Kinder waren bei guter Gesundheit und glücklich.
Im Brief hieß es weiter: »Sag Robb, daß Roddy gestern die Universität bezogen hat. Ich habe ihn in die Postkutsche nach Edinburgh gesetzt mit sechs Schillingen in der Tasche und Verpflegung für vier Tage. Dein Vater Dougall Struan hat geschrieben, daß er ihn während der Ferien zu sich nimmt und Vaterstelle an ihm vertritt, bis Robb nach Hause kommt. Ich habe mir erlaubt, einen Sichtwechsel in Robbs Namen über fünfzig Guineen zu schicken, für das Zimmer und die Verpflegung für ein Jahr und einen Schilling Taschengeld die Woche. Ich habe ihm auch eine Bibel mitgegeben und ihn vor losen Weibern, Trunkenheit und dem Spiel gewarnt. Außerdem habe ich ihm eine Stelle aus Will Shakespeares Hamlet, Geld weder zu borgen noch sich welches zu leihen, vorgelesen. Ich habe sie den jungen Burschen niederschreiben lassen und diesen Zettel in das Buch der Bücher gelegt. Er schreibt übrigens eine gute Handschrift.
Deine liebe Ronalda und die Kinder sind in einer der Seuchengruben beigesetzt. Es tut mir leid, Dirk, mein Junge. Aber das Gesetz schrieb vor, daß alle Verstorbenen um der Sicherheit der Lebenden willen auf diese Weise beerdigt werden mußten, erst durch Verbrennen und dann noch durch Löschkalk. Aber die Beisetzung wurde unserem Glauben gemäß vollzogen, sie wurden eingesegnet und das Gelände als heiliger Grund abgegrenzt. Möge Gott ihren Seelen Frieden schenken.
Um Winnie mach Dir keine Sorgen. Das Mädchen ist jetzt wirklich wohlauf, und hier am Loch Lomond, wo Gott seinen Fuß hingesetzt hat, wird sie sich zu einer kräftigen, gottesfürchtigen Frau entwickeln. Und jetzt nimm Dir dies zu Herzen: laß nicht die barbarischen Heiden im indischen Kathay Dir Deine Seele rauben, und verschließ sorgfältig die Tür gegen das Übel, das in diesen teuflischen Ländern brütet. Kommst Du jetzt nicht bald heim? Meine Gesundheit ist sehr gut, und der Herr in seiner Güte hat mich gesegnet. Nur noch sieben Jahre bis zu den dreimal zwanzig und zehn, die der Herr verheißen hat, aber nur einer unter vierhundert erlebt diese bösen Tage. Mir geht es sehr gut. In Glasgow, Birmingham und Edinburgh ist es, so steht es in den Zeitungen, zu schlimmen Tumulten gekommen. Weitere Tumulte der Chartisten. Die Fabrikarbeiter haben mehr Geld für ihre Arbeit verlangt. Vor zwei Tagen war in Glasgow eine Hinrichtung durch Erhängen wegen Diebstahl von Schafen. Hol der Teufel die Engländer! In was für einer Welt leben wir, wo ein guter Schotte nur deswegen gehenkt wird, weil er ein englisches Schaf gestohlen hat, und das durch einen schottischen Richter. Entsetzlich. Von dem gleichen Geschworenengericht wurden Hunderte wegen Aufruhr, Streik und Niederbrennens einer Fabrik zur Deportation ins australische Vandiemensland verurteilt. Culums Freund, Bartholomew Angus, wurde zu zehn Jahren Deportation nach New South Wales verurteilt, weil er einen Aufruhr der Chartisten in Edinburgh angeführt hatte. Die Menschen sind …«
»Mein Gott!« stieß Culum hervor.
»Wer ist Bartholomew, Culum?« fragte Struan.
»Wir haben miteinander im selben Zimmer gewohnt. Armer Bartholomew.«
»Hast du gewußt, daß er Chartist war?« fragte Struan scharf.
»Natürlich.« Culum trat ans Fenster und blickte aufs Kielwasser des Schiffes hinaus.
»Bist du Chartist, Culum?«
»Du hast selber gesagt, die Charter sei etwas Gutes.«
»Richtig. Aber ich habe dir auch meine Ansichten über Rebellionen nicht verheimlicht. Bist du aktiver Chartist?«
»Wäre ich zu Hause, würde ich es sein. Die meisten Studenten sympathisieren mit der Charter.«
»Dann ist es ein Segen, daß du hier draußen bist. Wenn Bartholomew einen Aufruhr angeführt hat, hat er auch die zehn Jahre verdient. Wir haben gute Gesetze und das beste parlamentarische System der Welt. Rebellion, Aufruhr und Streiks sind nicht die
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