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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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den Decks herumwimmelten, und sah brennende Fackeln.
    »Die Wasserfässer bereithalten!« brüllte Orlow.
    »Wozu Wasserfässer?« fragte Culum.
    »Zum Feuerlöschen, mein Junge. Auf den Dschunken haben sie brennende Fackeln. Und außerdem sind sie wahrscheinlich mit Feuerraketen und Stinktöpfen gut ausgerüstet. Die Stinktöpfe werden aus Pech und Schwefel hergestellt. Wenn man nicht auf sie vorbereitet ist, können sie an einem Klipper schwere Zerstörungen anrichten.« Er blickte achteraus. Die andere Dschunkenflottille lief jetzt hinter ihnen in den Meeresarm ein.
    »Wir sind abgeschnitten, nicht wahr?« fragte Culum, und der Magen drehte sich ihm um.
    »Ja. Aber nur ein Narr würde in diese Richtung auszuweichen suchen. Paß auf den Wind auf. Auf diesem Kurs müßten wir gegen ihn kreuzen, und etwas sagt mir, daß er sich bald noch weniger gegen uns drehen würde. Aber voraus haben wir den richtigen Wind und sind schneller als jede Dschunke. Sieh nur, wie schwerfällig sie sind! Mit uns verglichen wie Ackergäule gegen einen Windhund. Und überdies haben wir das Zehnfache an Feuerkraft.«
    Eins der Fallen an der Spitze des Hauptmastes riß sich plötzlich los. Die Spiere ächzte, schlug gegen den Mast, und das Segel flatterte frei im Wind.
    »Backbordwache in die Wanten!« brüllte Struan. »Heiß auf Oberbramfall!«
    Culum sah zu, wie die Seeleute auf die Rah fast an der Spitze des Hauptmastes hinausstiegen; der Wind zerrte an ihnen, während sie sich mit Nägeln und Zehen festklammerten, und er wußte, daß er das niemals würde tun können. Er spürte, wie sich sein Magen vor Angst zusammenkrampfte, und er konnte nicht vergessen, was Orlow gesagt hatte: Blut an Ihren Händen. Wessen Blut? Er stürzte ans Schandeck und übergab sich.
    »Hier, mein Junge«, sagte Struan und bot ihm den Wassersack an, der an einem Belegnagel hing.
    Culum stieß ihn zur Seite. Er haßte seinen Vater, weil dieser bemerkt hatte, daß ihm übel geworden war.
    »Spül deinen Mund aus!« Struans Stimme war schroff.
    Culum gehorchte niedergeschlagen und bemerkte nicht, daß das Wasser eigentlich kalter Tee war. Er trank ein paar Schluck und mußte sich erneut erbrechen. Dann spülte er sich den Mund aus und nahm vorsichtig ein paar kleine Schlucke. Er fühlte sich äußerst elend.
    »Als ich zum erstenmal in ein Gefecht geriet, war mir so übel wie einem betrunkenen Schiffsjungen – übler als du dir vorstellen kannst. Außerdem hatte ich eine Todesangst.«
    »Das glaube ich dir nicht«, antwortete Culum schwach. »Niemals in deinem Leben hast du Angst gehabt, und niemals war dir übel.«
    »Du kannst es mir glauben«, brummte Struan. »Es war bei Trafalgar.«
    »Ich habe gar nicht gewußt, daß du überhaupt dabei warst!« In seiner Verwunderung vergaß Culum vorübergehend, wie übel ihm war.
    »Ich war Pulverträger. Die Marine verwendet auf den Linienschiffen Kinder, die das Pulver aus dem Magazin auf die Geschützdecks tragen müssen. Der Gang muß so eng wie möglich sein, damit die Feuersgefahr nicht so groß ist. Sonst fliegt unter Umständen das ganze Schiff in die Luft.« Struan erinnerte sich der donnernden Geschütze, der Schreie der Verwundeten, des Decks, das glitschig von Blut war, der abgerissenen Gliedmaßen, des Blutgeruchs und der geröteten Speigatts. Der Gestank von Erbrochenem, auf dem man in dem endlosen, engen schwarzen Gang ausglitt. Er tappte mit Pulverfässern zu den krachenden Geschützen hinauf und tappte wieder hinunter in die entsetzliche Finsternis; seine Lungen brannten, sein Herz war eine zum Zerspringen pochende Maschine, die Angsttränen liefen ihm herunter – Stunde um Stunde. »Ich stand Todesängste aus.«
    »Du warst wirklich bei Trafalgar dabei?«
    »Ja. Ich war sieben Jahre alt. Ich war der älteste aus meiner Gruppe, aber ich hatte die größte Angst.« Struan klopfte seinem Sohn freundlich auf die Schulter. »Mach dir also keine Sorgen. Es ist nichts Schlimmes dabei.«
    »Ich habe auch keine Angst, Vater. Es war der Gestank unter Deck.«
    »Mach dir nichts vor. Es ist der Gestank des Blutes, den du zu riechen glaubst – und die Furcht davor, es könnte dein eigenes sein.«
    Culum beugte sich rasch über die Reling, als ihn erneut das Würgen überfiel. Die steife Brise blies nicht den widerlichen, süßlichen Geruch aus seinem Kopf, und sie vertrieb auch nicht Orlows Worte aus seinem Gehirn.
    Struan trat an das Branntweinfäßchen, zapfte einen Schluck ab, reichte Culum den Becher und

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