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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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gelang ihm jedoch, sich zu beherrschen. Er war entschlossen, Orlow keine Gelegenheit dazu zu geben, seinen Zorn zu reizen. Eines Tages würde es zur Abrechnung kommen, das gelobte er sich. »Ist denn ein Chronometer etwas so Wichtiges?«
    »Sie sind auf der Universität gewesen, und da stellen Sie mir eine solche Frage? Wir wären verloren ohne das schöne Instrument. Haben Sie nicht von Kapitän Cook gehört? Er hat es als erster vor sechzig Jahren ausprobiert. Bis zu diesem Zeitpunkt konnte man niemals mit Sicherheit den Längengrad bestimmen. Heute wissen wir auf eine Meile genau, wo wir uns befinden, seitdem wir die genaue Londoner Zeit und den Sextanten haben.« Orlow schloß das Gehäuse wieder ab und streifte Culum mit einem schnellen Blick. »Verstehen Sie, mit einem Sextanten umzugehen?«
    »Nein.«
    »Wenn wir die Dschunken versenkt haben, zeige ich es Ihnen. Glauben Sie etwa, Sie können Tai-Pan von Noble House an Land sein?«
    Oben an Deck war das Getrampel eilender Füße zu vernehmen, und sie fühlten, daß die China Cloud jetzt noch schneller durch die Wogen jagte. Hier unten schien das ganze Schiff von lebendiger Kraft zu pulsieren.
    Culum fuhr sich mit der Zunge über die trockenen Lippen. »Können wir denn so viele versenken und entkommen?«
    »Wenn es uns nicht gelingt, werden wir im Wasser schwimmen.« Der kleine Mann blickte mit strahlenden Augen zu Culum auf. »Waren Sie jemals bei einem Schiffbruch dabei oder auf einem sinkenden Schiff?«
    »Nein. Ich kann auch nicht schwimmen.«
    »Für einen Seemann ist es am besten, wenn er nicht schwimmen kann. Das Schwimmen schiebt nur das Unvermeidliche hinaus – wenn die See einen haben will und die Zeit erfüllt ist.« Orlow zog an der Kette, um sich zu vergewissern, daß das Gehäuse wirklich verschlossen war. »Seit dreißig Jahren fahre ich zur See, aber ich kann nicht schwimmen. Ich bin öfter als zehnmal mit einem Schiff untergegangen, zwischen dem Chinesischen Meer und der Beringstraße, aber immer habe ich ein Stück Holz oder ein Boot gefunden. Eines Tages wird die See mich holen. Wann es ihr gefällt.« Er lockerte das Kampfeisen an seinem Handgelenk. »Dann werde ich mich freuen, endgültig in den Hafen einzulaufen.«
    Culum war froh, als sie wieder nach oben gingen. »Den Leuten an Bord trauen Sie nicht?«
    »Ein Kapitän verläßt sich auf sein Schiff, nur auf sein Schiff. Und auf sich ganz allein.«
    »Verlassen Sie sich auf meinen Vater?«
    »Er ist der Kapitän.«
    »Das versteh' ich nicht.«
    Orlow gab keine Antwort. Sobald er das Achterdeck betreten hatte, warf er einen prüfenden Blick auf die Segel und runzelte die Stirn. Zu viele Segel, zu dicht an der Küste. Zu viele unbekannte Riffe, und irgendwie roch es nach Sturm. Zwei Meilen voraus zog sich die Linie der Dschunken hin, die ihnen den Weg abschnitten: unerbittlich, schweigend näherten sie sich.
    Das Schiff lief unter vollen Segeln, aber Fock- und Großsegel waren noch immer gerefft. Das ganze Schiff erbebte vor Freude, und diese Freude teilte sich der Besatzung mit. Als Struan den Befehl gab, die Reffe herauszunehmen, eilten die Matrosen in die Wanten, machten die Segel unter Gesang los und vergaßen ganz und gar das Silber, das sie vergiftet hatte. Der Wind frischte auf, und die Segel knatterten. Das Schiff legte sich über und lief noch schneller; das Seewasser schäumte in den Speigatts wie Bier.
    »Mr. Cudahy! Nehmen Sie eine Wache mit nach unten und bringen Sie die Waffen an Deck!«
    »Jawohl, Sir!« Cudahy, der Erste Offizier, war ein schwarzhaariger Ire mit unsteten Augen; er trug einen goldenen Ohrring.
    »Kurs halten! Deckwache! An die Geschütze! Mit Kartätschen laden!«
    Die Männer stürzten an die Kanonen, zogen sie aus den Geschützpforten heraus, luden sie mit Kartätschen und rollten sie wieder vor.
    »Geschütz Nummer drei eine Extraration Rum! Nummer achtzehn reinigt die Bilge!«
    Jubelrufe und Verwünschungen folgten.
    Es war ein Brauch, den Struan vor vielen Jahren eingeführt hatte. Wenn es zum Kampf kam, wurde die Geschützmannschaft, die als erste fertig war, belohnt, während die letzte die schmutzigste Arbeit an Bord erhielt.
    Struan betrachtete prüfend den Himmel und die gefüllten Segel. Dann richtete er sein Fernglas auf die große Kriegsdschunke. Sie hatte viele Geschützpforten, einen Drachen als Galionsfigur und eine Flagge, die auf diese Entfernung noch immer nicht deutlich zu erkennen war. Struan beobachtete Dutzende von Chinesen, die auf

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