Tai-Pan
Franzosenkrankheit oder die Spanische Seuche nennen. Die Franzosen sprechen jedenfalls von ihr als der Spanischen oder Englischen Seuche, und die Spanier bezeichnen sie als die Franzosenkrankheit. Dabei trifft uns alle die Schuld. Wie ich erfahren habe, hat es sie in Indien und Asien schon immer gegeben. Und du weißt auch, daß es keine Heilung gibt?«
»Ja.«
»Dann weißt du wohl auch, daß es nur eine Möglichkeit gibt, sie sich von einer Frau zu holen?«
»Ja.«
»Weißt du auch über Schutzmittel Bescheid?«
»Ja – ja, natürlich.«
»Man braucht diese Dinge wirklich nicht totzuschweigen. Es tut mir leid, daß ich so viel weg gewesen bin. Mir wäre es lieber gewesen, ich hätte selber zu dir vom – vom Leben sprechen können. Vielleicht weißt du Bescheid, vielleicht bist du auch nur verlegen, scheust vor diesen Dingen zurück. Auf jeden Fall werde ich es dir sagen. Schutzmittel sind unbedingt notwendig. Die besten werden aus Seide hergestellt – sie kommen aus Frankreich. Es gibt auch eine neue Art, aus so etwas Ähnlichem wie Fischhaut. Ich werde dafür sorgen, daß du welche bekommst.«
»Ich glaube kaum, daß ich sie brauche …«
»Kann durchaus sein«, unterbrach ihn Struan. »Aber es schadet nichts, einen kleinen Vorrat zu haben. Für alle Fälle. Ich habe nicht die Absicht, mich in deine Lebensgewohnheiten einzumischen oder dir zu raten, ein Wüstling zu werden. Ich möchte nur sicher sein, daß du über einige einfache Dinge Bescheid weißt – und vor allem, daß dir nichts passieren kann. Wenn du Schutzmittel trägst, wirst du dich nicht anstecken. Und du kannst verhindern, daß das Mädchen ein Kind bekommt – und damit ersparst du ihm große Schwierigkeiten und dir selber Unannehmlichkeiten.«
»Verstößt es nicht gegen alle göttlichen Gesetze? Ich meine, so etwas zu verwenden – ist es nicht Sünde? Wird nicht dadurch der ganze Sinn der Liebe aufgehoben? Liegt er nicht darin, Kinder zu bekommen?«
»So denken die Katholiken, gewiß, und sehr fromme Protestanten.«
»Du hast Zweifel an der Heiligen Schrift?« Culum war entsetzt.
»Nein, mein Junge. Nur an einigen der – wie sagt man doch? – der Auslegungen.«
»Ich hatte geglaubt, fortschrittlich zu denken, aber du – was du da sagst, ist doch reine Ketzerei.«
»In den Augen einiger Leute. Aber das Haus Gottes hat für mich eine große Bedeutung – es geht allem vor: mir, dir, jedem, sogar dem Noble House.« Struan rasierte sich weiter, während er sprach. »Hier draußen ist es Sitte, seine eigene Freundin zu haben. Für einen selber – ganz allein. Du unterhältst sie, bezahlst ihre Rechnungen, versorgst sie mit Nahrung und Kleidung, mit einer Dienerin und dergleichen. Wenn du sie nicht länger haben willst, gibst du ihr etwas Geld und entläßt sie.«
»Ist das nicht ziemlich herzlos?«
»Ja – wenn man dabei sein Gesicht nicht wahrt. Für gewöhnlich ist das, nach unseren Maßstäben, bißchen Geld, das du ihr gibst, mehr als ausreichend, so daß sich das Mädchen eine Mitgift besorgen und einen passenden Mann finden kann. Die Auswahl eines solchen Mädchens geht ganz reibungslos vor sich. Man beauftragt einen ›Makler‹ – einen Ehestifter –, und das alles vollzieht sich nach altem chinesischem Brauch.«
»Ist das nicht Sklaverei der schlimmsten Art?«
»Wenn du dabei die Absicht hast, dir eine Sklavin zu kaufen, dann ja, und wenn du sie wie eine Sklavin behandelst. Was tust du denn, wenn du dir Dienstboten durch Vertrag verpflichtest? Auch da zahlst du Geld und kaufst sie dir für eine Reihe von Jahren. Das ist das gleiche.« Struan tastete sein Kinn ab und seifte die Stellen erneut ein, die noch immer rauh waren. »Wir fahren nach Macao, und wenn du willst, kann ich dort alles für dich erledigen.«
»Ich danke dir, Vater, aber …« Es ist widerlich und eine Sünde, eine Frau, eine Hure, eine Sklavin oder Geliebte zu kaufen, wollte er sagen, sagte aber statt dessen: »… ich danke dir vielmals, es ist jedoch nicht nötig.«
»Solltest du es dir anders überlegen, dann sag es mir, mein Junge. Du brauchst in diesen Dingen nicht so scheu zu sein. Ich glaube, es ist etwas völlig Normales, ›Begierden‹ zu haben, und durchaus keine Sünde. Aber hüte dich vor Bordellen. Und geh niemals betrunken in ein solches Haus. Geh niemals ohne Schutz mit einem Mädchen ins Bett. Und benimm dich hier draußen, im Fernen Osten, niemals der Frau oder der Tochter eines Europäers gegenüber herausfordernd – vor
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