Tai-Pan
der Händler verwickelt zu werden. Und die Chinesen brachten ihn zur Weißglut, weil sie es gewagt hatten, diesen hervorragenden Vertrag zurückzuweisen, den er, er ganz allein, ihnen in seiner Großmut gewährt hatte. Hol mich der Teufel, dachte er, hier stehe ich, trage die Last des gesamten Asien auf meinen Schultern, treffe alle Entscheidungen, verhindere, daß sie sich alle an die Gurgel fahren, führe einen Krieg zu Englands Ruhm und Ehre, rette seinen Handel, und welchen Dank erhalte ich? Vor Jahren schon hätte ich geadelt werden müssen! Dann aber ließ sein Zorn nach, denn er wußte, daß Asien bald zur Ruhe kommen würde; aus der gesicherten Kolonie Hongkong heraus würde die britische Macht ihre Fäden spinnen und ihre Netze auslegen. Nach dem alles beherrschenden Willen des Gouverneurs. Gouverneure wurden geadelt. Sir William Longstaff – das hatte einen guten Klang. Und da Kolonialgouverneure Oberbefehlshaber aller kolonialen Streitkräfte waren, und außerdem, kraft ihres Amtes und kraft Gesetz, auch Gesetzgeber – dazu die unmittelbaren Vertreter der Königin –, würde er mit so eitlen Admirälen und Generälen ganz nach Lust und Laune umspringen können. Die Pest über alle, dachte er, und fühlte sich schon wohler.
So begab sich also Longstaff an Bord der Nemesis.
Struan schloß sich ihm an. Dampfschiff hin oder her, er würde als erster in Kanton eintreffen.
Fünf Tage später lag die Flotte vor Whampoa vor Anker; das Flußgebiet hinter ihnen war erobert und fest in ihrer Hand. Eine Abordnung der Co-hong-Kaufleute, vom neuen Statthalter Tsching-so abgesandt, traf sogleich ein, um die Verhandlungen einzuleiten. Aber auf Struans Rat hin wurde die Abordnung, ohne empfangen worden zu sein, wieder weggeschickt, und am nächsten Tag wurde die Niederlassung erneut besetzt.
Als die Chinahändler an Land gingen, erwarteten sie alle ihre alten Bediensteten vor den Eingangstoren der Faktoreien. Es war alles, als habe man die Niederlassung niemals aufgegeben. Nichts war während ihrer Abwesenheit angerührt worden. Nichts fehlte.
Auf dem Platz wurden die Zelte einer Abteilung Soldaten aufgeschlagen. Longstaff ließ sich mit seinem Hauptquartier in der Faktorei von Noble House nieder. Als eine weitere Abordnung der Co-hongs eintraf, wurde auch diese wie die erste abgewiesen. Man traf umfangreiche Vorbereitungen für die Belagerung Kantons.
Bei Tag und bei Nacht drängte sich in der Hog Street und in der Thirteen Factory Street eine brodelnde, quirlende Menge, in der gekauft und verkauft, gestritten und gestohlen wurde. Bordelle und Kneipen machten glänzende Geschäfte. Viele Männer soffen sich zu Tode, einigen wurden die Kehlen durchgeschnitten, und andere verschwanden ganz einfach. Ladenbesitzer kämpfen um Platz für ihre Waren, und die Preise stiegen und fielen je nach Angebot und Nachfrage.
Wieder suchte eine Abordnung um eine Audienz bei Longstaff nach, und wieder setzte sich Struan bei Longstaff durch und ließ sie abziehen. Die Linienschiffe gingen im Perlfluß vor Anker, und die Nemesis dampfte gemächlich hin und her und hinterließ Schrecken, wo sie aufgetaucht war. Dschunken und Sampans aber gingen flußauf, flußab weiter ihren Geschäften nach. Der Tee der letzten Ernte und Seidenstoffe wurden aus dem Hinterland gebracht und überschwemmten die Lagerhäuser der Co-hongs, die an den Flußufern lagen.
Dann erschien Jin-kwa, bei Nacht und in aller Heimlichkeit.
»Hola, Tai-Pan«, rief er, als er, gestützt auf die Arme seiner Leibsklaven, Struans privates Eßzimmer betrat. »Gut, Sie wieder sehen. Warum Sie mich nicht kommen sehen, heja?« Die Sklaven halfen ihm, sich hinzusetzen, verbeugten sich und gingen hinaus. Der alte Mann wirkte älter als jemals zuvor, und seine Haut war noch runzliger. Aber seine Augen waren jung und zugleich sehr weise. Er trug ein langes, blaßblaues Seidengewand, eine blaue Seidenhose und an den kleinen Füßen weiche Hausschuhe. Eine leichte grüne, daunengefütterte Seidenjacke schützte ihn vor der Feuchtigkeit und der Kühle der Frühlingsnacht. Auf dem Kopf trug er einen vielfarbigen Hut.
»Hola, Jin-kwa. Mandarin Longstaff mächtig böse geworden. Nicht wollen, daß dieses Stück Tai-Pan den Freund spricht. Ajii jah! Tee?«
Struan hatte ihn ganz bewußt in Hemdsärmeln empfangen, denn Jin-kwa sollte sich sofort darüber im klaren sein, daß er ihm wegen Wu Fang Tschois halber Münze sehr böse war. Der Tee wurde eingegossen, und Diener trugen
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