Tai-Pan
Einstellung zu ihm.«
Armer, tapferer Culum, dachte Horatio. Ich weiß, was es bedeutet, einen Vater zu hassen.
»Tai-Pan«, sagte er nun, als sie auf den Treppenabsatz gelangten, »Mary und ich haben das, was wegen der Kuppe geschehen ist, entsetzlich bedauert. Aber noch trauriger waren wir über das, was sich zwischen Ihnen und Culum ereignet hat. Wir haben uns mit Culum sehr angefreundet, und …«
»Ich danke Ihnen für Ihre gute Absicht, Horatio, aber mir wäre es lieber, wenn Sie die Sache mir gegenüber nicht mehr erwähnen würden.«
Horatio und Struan gingen schweigend den Gang entlang und betraten Longstaffs Arbeitszimmer. Es war groß und luxuriös ausgestattet. Ein gewaltiger Kronleuchter beherrschte die reichverzierte Decke und den schimmernden Konferenztisch. Longstaff saß am oberen Ende des Tisches, der Admiral und General Lord Rutledge-Cornhill links und rechts von ihm.
»Guten Tag, meine Herren.«
»Ich danke Ihnen, daß Sie gekommen sind, Dirk«, sagte Longstaff. »Setzen Sie sich, mein lieber Freund. Ich war der Ansicht, daß Ihr Rat uns nützlich sein könnte.«
»Um was handelt es sich, Exzellenz?«
»Die Sache ist die, ich habe auch Mr. Brock gebeten zu kommen. Warten wir also, bis er da ist, dann brauche ich mich nicht zu wiederholen, nicht wahr? Ein Sherry?«
»Danke.«
Die Tür öffnete sich, und Brock trat ein. Als er Struan und die beiden Offiziere in ihren prächtigen Uniformen erblickte, war er sogleich auf der Hut.
»Sie wollten mich sprechen, Exzellenz?«
»Ja. Nehmen Sie bitte Platz.«
Brock nickte Struan zu. »Guten Tag, Dirk. Guten Tag, gents«, fügte er hinzu, denn er wußte, daß er damit den General zur Weißglut treiben konnte. Das kühle Kopfnicken, das er zur Antwort erhielt, machte ihm einen Mordsspaß.
»Ich habe Sie beide gebeten, an unserer Beratung teilzunehmen«, begann Longstaff, »weil, abgesehen von der Tatsache, daß Sie beide die führenden Handelsunternehmen hier repräsentieren, Ihr Rat für uns wertvoll ist. Wie es scheint, hat sich eine Gruppe von Anarchisten auf Hongkong niedergelassen.«
»Was?« stieß der General hervor.
»Ist denn so was möglich!« rief Brock gleichfalls überrascht.
»Nichtswürdige Anarchisten, kann man sich so etwas vorstellen. Aber wie es scheint, sind sogar die Heiden von dieser Teufelei nicht verschont geblieben. Ja, wenn wir uns nicht vorsehen, wird aus Hongkong ein Treibhaus der Anarchie. Verdammt unangenehm, was?«
»Welche Art von Anarchisten?« fragte Struan. Anarchisten bedeuteten Unruhen. Und Unruhen störten den Handel.
»Wie hießen sie doch noch, Horatio? ›Tang‹? ›Tung‹?«
»›Tong‹; Sir.«
»Diese Tongs sind bereits unter unseren Augen aktiv. Entsetzlich.«
»In welcher Weise aktiv?« fragte Struan ungeduldig.
»Vielleicht sollten Sie am besten mit dem Anfang beginnen, Sir«, meinte der Admiral.
»Guter Vorschlag. Bei der heutigen Besprechung war der Statthalter Tsching-so äußerst erregt. Er erklärte mir, die chinesischen Behörden hätten soeben erfahren, daß diese Anarchisten, ein Geheimbund, ihr Hauptquartier an diesem Schandfleck, Tai Ping Schan, aufgeschlagen haben. Die Anarchisten haben viele, viele Namen, und sie sind … Horatio, fahren Sie am besten fort.«
»Tsching-so hat erklärt, es handle sich dabei um eine Gruppe revolutionärer Fanatiker, die sich verschworen haben, den Kaiser zu stürzen«, begann Horatio. »Er nannte Seiner Exzellenz rund fünfzig Namen, unter denen dieser Bund auftritt – Rote Partei, Rote Bruderschaft, Gesellschaft des Himmels und der Erde und so weiter –, es ist zuweilen fast unmöglich, einige der Namen ins Englische zu übersetzen. Manche nennen diese Bewegung ganz einfach nur ›Hung Mun‹ oder ›Hung Tong‹ – wobei ›Tong‹ eine ›geheime Bruderschaft‹ bedeutet.« Er dachte einen Augenblick nach. »Auf jeden Fall sind diese Männer Anarchisten der schlimmsten Sorte, Diebe, Piraten und Revolutionäre. Seit Jahrhunderten haben sich die Behörden darum bemüht, sie auszulöschen, jedoch ohne Erfolg. In Südchina allein soll es eine Million Mitglieder geben. Sie sind in Zellen organisiert, und ihre Einweihungszeremonien sind barbarisch. Unter jedem nur denkbaren Vorwand fördern sie die Rebellion und nähren sich von der Furcht ihrer Mitmenschen. So verlangen sie ›Schutzgelder‹. Jede Prostituierte, jeder Kaufmann, Bauer, Grundbesitzer oder Kuli – von allen wird erwartet, daß sie Schmiergelder bezahlen. Wird nicht bezahlt, ist
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