Tai-Pan
sich auf die andere Seite des Tisches zurück.
»Ich nichts gesagt haben, schon gut«, rief sie hastig.
»Genau das habe ich mir auch gedacht.« Gelassen trank er seinen Tee aus; sie beobachtete ihn regungslos, war aber auf der Hut.
Er setzte die Tasse ab. »Komm hier herüber.«
»Ha! Ich dir nicht trauen, wenn deine Augen sprechen grünes Feuer.«
»Komm hier herüber. Bitte«, fügte er so einschmeichelnd wie möglich hinzu.
Vor Zorn schielte sie fast. Sie kam ihm wie eine dieser siamesischen Katzen vor, die er in Bangkok gesehen hatte. Und ebenso tückisch, dachte er.
Vorsichtig näherte sie sich ihm, jederzeit bereit, sich zurückzuziehen oder ihm mit ihren Nägeln das Gesicht zu zerkratzen. Freundlich streichelte er ihre Wange und wandte sich dann der Tür zu. »So bist du ein braves Mädchen.«
»Tai-Pan!« Gebieterisch hielt ihm May-may die Hand hin, damit er sie küßte. Dann, ehe sie wußte, wie ihr geschah, drehte er sie herum und versetzte ihr einen kräftigen Schlag aufs Gesäß. Sie keuchte, entwand sich seinen Händen und brachte sich hinter dem Tisch in Sicherheit. Und schon warf sie eine Tasse nach ihm. Sie zerschellte an der Wand dicht neben seinem Ohr, und May-may griff nach der nächsten.
»Nicht werfen!«
Sie setzte sie nieder.
»Braves Mädchen. Eine Tasse ist komisch. Zwei wären extravagant.« Wieder wandte er sich der Tür zu.
»Ich nur sagen, dich zu beschützen«, rief sie. »Dich beschützen vor glattzüngiger, häßlicher, alter Dirne mit Kuhbusen!«
»Ich danke dir, May-may«, antwortete er und schloß die Tür hinter sich. Er tat so, als gehe er den Gang entlang, lauschte aber in die Stille und versuchte, nicht zu lachen. Die Tasse krachte gegen die andere Seite der Tür. Dem Splittern folgte ein Strom von Verwünschungen, Ah Sams Name und weitere Verwünschungen.
In bester Laune schlich Struan auf Zehenspitzen davon.
Das ganze Happy Valley war von brausendem Leben erfüllt, und als Struan den flachen Abhang vor seinem Haus zum Ufer hinabging, war er nicht wenig stolz. Zahlreiche Gebäude befanden sich schon im Bau. Die beiden größten waren die dreistöckigen Faktoreien von Noble House und Brock and Sons, deren Fronten auf die Queen's Road hinausgingen – sie enthielten Lagerräume, Kontore und Unterkünfte, wie sie den Chinahändlern zusagten, ähnlich denen in der Niederlassung von Kanton. Augenblicklich bestanden sie noch aus nichts weiter als aus Gerippen von himmelwärts strebenden Bambusgerüsten, auf denen es von Hunderten von chinesischen Arbeitern wimmelte. Um diese Riesenbauten herum lagen Dutzende von anderen Gebäuden, Wohnhütten und Lagerhäusern.
In größerer Entfernung, auf halbem Weg zu Glessing's Point, hatte man bereits, wie Struan erkennen konnte, mit den Arbeiten am Marinearsenal begonnen; ein nicht endender Strom von Kulis warf Steine und Felsbrocken ins Wasser. Sie legten die erste Pier für Schiffe mit großem Tiefgang an. Gegenüber dem kleinen Haus des Hafenkommandanten, das bis auf das Dach fertiggestellt war, erhoben sich die Steinmauern des Gefängnisses, das schon zu drei Vierteln fertig war. Und hinter dem Marinearsenal ragten eingerüstet die ersten Kasernen der Armee auf. Struan wandte sich nach Westen einer Reihe großer Zelte zu, in denen vorläufig ihr Hauptquartier untergebracht war. Man hatte sie am Rand des Tales errichtet. Mit dem Bau der Kirche war noch nicht begonnen worden, aber Struan entdeckte Männer, die den oberen Teil der Kuppe vermaßen.
»Guten Morgen, Robb«, sagte er, als er eins der Zelte betrat.
»Ich freue mich, dich wiederzusehen.« Robb war unrasiert und hatte dunkle Schatten unter den Augen. »Hast du die Sache in Aberdeen erledigt?«
»Ja. Und wie steht es hier?«
»Gut und schlecht. Man kann die Queen's Road nicht entlanggehen, ohne daß man von einem stinkenden Schwarm von Bettlern überfallen wird. Aber schlimmer als das: wir bringen täglich zehntausend Ziegel mit Sampans und Dschunken aus Macao hierher, und bis zum nächsten Morgen sind an die zweitausend verschwunden.« Erregt warf er die Arme hoch. »Und nicht nur Ziegel – Bauholz, Schreibtische, Zement, Schreibgeräte, Papier –, sie stehlen alles. Wenn es so weitergeht, werden sich unsere Baukosten verdoppeln.« Er warf ihm eine Liste mit Zahlen hinüber. »Ein Geschenk für dich: die Aufstellung für dein Haus – bisher. Dreimal soviel, wie Vargas geschätzt hat.«
»Warum so viel?«
»Du wolltest doch, daß es in drei Wochen
Weitere Kostenlose Bücher