Tai-Pan
gute Arbeit geleistet.«
Sie standen an der Tür ihres Zeltes und sahen zu, wie das Postschiff Anker warf. Es war von Schwärmen von Kuttern umgeben, deren Besatzungen voller Spannung ihre Post erwarteten. Struan warf einen Blick auf die Liste der eintreffenden Passagiere. »Du lieber Gott, schau mal her!« Er schob Robb das Papier zu.
Robb überflog die Liste mit den Namen. Seine Blicke blieben an Seiner Kaiserlichen Hoheit Großfürst Sergejew hängen. »Was hat denn ein russischer Großfürst in Asien zu suchen, he?«
»Nein, ihn meine ich nicht, obwohl auch das recht seltsam ist. Geh die Liste bis ans Ende durch.«
Robb las weiter. Frauen von Kaufleuten, drei zurückkehrende Kaufleute, Namen von Männern, die ihm nichts bedeuteten. Schließlich aber stieß er darauf. »Maureen Quance und Familie?« Er lachte schallend auf.
»Hol's der Teufel, das ist gar nicht zum Lachen!« rief Struan. »Was ist mit unserem Preisgericht?«
»Ach, mein Gott!«
Vor sechs Jahren hatte Aristoteles' Frau in Macao wütend ein Schiff nach Hause bestiegen, in dem Glauben – alle glaubten es im übrigen – daß Aristoteles, der in Todesangst vor ihr lebte, nach England geflüchtet sei. Aber anstatt zu fliehen, hatte er sich in Mrs. Fortheringills Institut für vornehme junge Damen verborgen gehalten – dem ›F und I‹, wie das Bordell von den Eingeweihten auch genannt wurde. Aristoteles war eine Woche, nachdem Maureen abgereist war, aus seinem Versteck herausgekrochen. Es hatte Monate gedauert, bis er wieder der alte war.
»Was machen wir jetzt?« fragte Robb.
»Wenn Aristoteles es erfährt, wird er bestimmt untertauchen. Dann geht er nach Kanton, und wir sind mit unserem Latein zu Ende. Zunächst einmal müssen wir ihn finden und ihn bis heute abend verstecken.«
»Wo ist er denn?«
»Keine Ahnung. Man muß Suchtrupps ausschicken. Jeden entbehrlichen Mann. Dann laß ihn an Bord der Thunder Cloud bringen – unter irgendeinem Vorwand –, und dort muß er bleiben, bis der Wettbewerb beginnt. Schick sofort Cudahy an Bord des Postschiffes. Laß Maureen sagen, daß sie und ihre Familie unsere Gäste sind – sie soll an Bord des kleinen Proviantschiffes gehen. Vielleicht können wir sie bis morgen beschäftigen.«
»Das schaffst du niemals. Sie riecht einfach, wo Aristoteles ist.«
»Wir müssen's versuchen. Oder willst etwa du den Richter spielen?«
»Was ist mit dem Wettkampf? Den wird er sich doch nicht entgehen lassen wollen!«
»Für ein Porträt von Sarah oder von einem der Kinder wird er es tun.«
Robb eilte hinaus.
Struan warf einen Blick auf seine Uhr. Erst in einer Stunde würde er an Bord des Flaggschiffes erwartet. Er ließ Gordon Tschen kommen und bat ihn, dreißig Chinesen als Wächter anzuwerben.
»Ich glaube, es ist auch ratsam, Tai-Pan, Ihr Haus ebenfalls bewachen zu lassen. Es ist eine zusätzliche Sicherheitsmaßnahme«, meinte Gordon. »Ich wäre ruhiger, wenn Sie es täten.«
»Ein guter Gedanke, Gordon. Nehmen Sie also fünfunddreißig Mann.«
»Ich fürchte, die meisten Chinesen, die nach Tai Ping Schan gekommen sind, sehr üble Elemente sind. Sehr viele von ihnen werden wegen Verbrechen in Kuangtung gesucht, aber hier in Hongkong befinden sie sich außerhalb der Reichweite der Mandarine.« Er holte aus der Tiefe eines seiner Ärmel eine Pergamentrolle hervor. »Übrigens habe ich für Ihren Ball heute abend eine Vereinbarung mit dem König der Bettler getroffen.« Er legte die Rolle auf den Schreibtisch. »Das wäre seine Quittung. Vielleicht könnte mir der Kommissionär der Firma das Geld zurückzahlen?«
»Quittung? Wofür?«
»Eine Quittung über drei Taels. Dieses bescheidene Schmiergeld gewährleistet, daß keiner Ihrer Gäste heute nacht belästigt wird. Ich habe auch eine äußerst günstige monatliche Vereinbarung für Sie getroffen – drei Taels, damit sich die Bettler der Schwelle Ihres Hauses und von Noble House fernhalten.«
»Das zahle ich nicht!« stieß Struan empört hervor. »Es ist mir gleich, ob Macao oder jede andere Stadt in China einen Bettlerkönig hat. Hier in Hongkong fangen wir damit gar nicht erst an.«
»Aber er ist bereits hier, und es ist alles organisiert«, erwiderte Gordon Tschen ruhig. »Wer sonst würde denn Bettler konzessionieren? Wer denn sonst würde die Verantwortung übernehmen? Wem sonst kann man denn Schmiergelder zahlen, um sich eine Sonderbehandlung zu sichern, die wohlhabende, einflußreiche Menschen wie wir erwarten können? Ich bitte Sie,
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