Tai-Pan
schon seit vielen Monaten nicht mehr gesehen.«
»Natürlich, Gordon«, antwortete Struan. »Komm doch morgen mittag. Willst du nicht wieder mit den wöchentlichen Unterrichtsstunden beginnen? Ich glaube, es wäre gut für sie.«
»Es würde mir eine große Freude sein, auch mit den Kindern zu reden.« Gordon holte noch zwei weitere Rollen aus seinem Ärmel. »Hier habe ich die Abrechnungen bezüglich unserer persönlichen Vereinbarung. Es sind die Abrechnungen für den letzten Monat. Möchten Sie die Zahlen einmal durchsehen?«
»Ja.«
Gordon öffnete die Rollen. Die eine war mit chinesischen Schriftzeichen bedeckt, die andere in Englisch abgefaßt. »Ich freue mich, Ihnen berichten zu können, Tai-Pan, daß wir auf der Basis eines Anfangskapitals von zehntausend Dollar einen gemeinsamen Gewinn von sechstausendachtundfünfzig Dollar und zweiundvierzig Cents herausgewirtschaftet haben.«
Struan riß die Augen auf. »Allerhand Gewinn für einen Monat.«
»Ich bin auch recht stolz darauf. Unsere Investitionen in Grundstücken sind ebenfalls hervorragend. Sie versprechen großen Gewinn.«
»Aber du hast doch gar keine Grundstücke gekauft!«
»Nicht bei Ihrem Landverkauf. Aber ich habe einige Parzellen in der Siedlung von Tai Ping Schan erworben. Sie wurden in der vergangenen Woche vom Grundstücksamt genehmigt. Außerdem besitzen wir große Grundstücke um das Dorf Aberdeen und an der Deepwater Bay.«
»Aber sie sind doch noch gar nicht zum Verkauf angeboten!«
»Hier handelt es sich um Grundstücke, die Einheimischen gehört haben, Tai-Pan. Alte Grundrechte. Ich habe alles aufgekauft, alle bestehenden Grundstücksverträge, zumindest alle, die ich bislang habe auftreiben können.«
»Aber das ist nicht legal, mein Junge. Das ganze Land gehört der Krone.«
»Natürlich. Aber selbstverständlich müssen auch gewisse Maßnahmen getroffen werden, um die einheimischen Dorfbewohner zu entschädigen. Das Dorf besteht schon seit Jahren, und die Krone ist doch großzügig.« Seine Augen blickten arglos. »Mr. Culum schien der Ansicht zu sein, daß Seine Exzellenz Grundstücksverträge wohlwollend betrachten würde, die von den Dorfältesten für ›rechtsgültig‹, glaube ich, war sein Ausdruck, erklärt würden.«
Ich möchte wohl wissen, wieviel von diesem ›urkundlich übertragenen‹ Land gar keinem Dorf oder gar keiner Privatperson gehört und niemals gehört hat, fragte sich Struan. »Und sind alle ›unsere‹ Urkunden auch ›rechtsgültig‹?«
»Absolut, Tai-Pan. Da war ich sehr vorsichtig. Denn sonst wären sie doch völlig wertlos, nicht wahr?« Gordon lächelte. »Unser Besitz ist auf die Namen verschiedener Beauftragten eingetragen. Selbstverständlich besitzen wir nach außen hin kein Land. Nur die Urkunde als solche. Die anderen übertragenen Rechte wurden nochmals und nochmals und nochmals übertragen und können der schärfsten Überprüfung standhalten. Ich bin in allem ungemein vorsichtig vorgegangen.«
»Du hast bestimmt eine große Zukunft im Geschäftsleben vor dir, Gordon.« Er sah sich die Abrechnung gründlich an. »Was bedeutet dieser Posten? Zweitausendneunhundertundachtundsiebzig Dollar?«
»Pacht von unseren Besitzungen in Tai Ping Schan.«
»Da ist dir ein Fehler unterlaufen. Nach deinen Angaben beläuft sich dieser Betrag auf eine Pachtzeit von zwei Monaten, aber du besitzt das Land erst seit einem Monat.«
»Die Sache ist die, Tai-Pan: Sobald die Chinesen sich auf unserem Land in Tai Ping Schan niedergelassen haben, habe ich Pacht von ihnen verlangt. Daß wir dieses Land tatsächlich erst einen Monat später erwarben, geht sie ja nichts an. Nicht wahr?«
»Nein. Nur daß es sich dabei eben um einen Betrug handelt.«
»Aber nein, Sir. Das entspricht nicht den Tatsachen. Der neue Pächter wollte selbstverständlich das beste Land mieten, das zur Verfügung stand. So nahmen wir von ihm eine Anzahlung – und stellten ihm in gutem Glauben das Land schon im voraus zur Verfügung. Er war froh. weil er ›Pacht‹ zahlte, denn jeder muß ja schließlich Pacht zahlen. In Wirklichkeit aber ist dieser Betrag eine Gebühr für geleistete Dienste. Wäre es mir nicht gelungen, diese Grundstücke zu kaufen und den Leuten auf diese Weise den Vorteil langfristiger Verträge zu bieten, wären sie bestimmt in die Hände von Wucherern, Dieben und Räubern gefallen.«
Struan brummte etwas Unverständliches. »Was beabsichtigst du mit dem restlichen Geld zu tun?«
»Wenn ich solange Ihre
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