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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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wollte meinen Rat hören, wann er diesen Erlaß bekanntgeben solle. Der Admiral erklärte, der Flotte bereite es keine Schwierigkeit, die Durchführung dieses Erlasses zu erzwingen.«
    »Mein Gott! Ist denn Longstaff verrückt?«
    »Nein. Nur ein wenig einfältig.« Struan zündete sich einen Stumpen an. »Ich habe ihm gesagt, er solle den Erlaß um vier Glasen bekanntgeben.«
    »Das ist doch Wahnsinn!« stieß Robb hervor.
    »Im Gegenteil, es ist sehr klug. Die Marine soll den Erlaß eine Woche lang auf Eis legen: ›Um den Chinahändlern Zeit zu geben, über ihre Vorräte zu verfügen.‹«
    »Aber was tun wir dann? Ohne Opium sind wir erledigt. Der ganze Chinahandel ist erledigt. Schluß.«
    »Über wieviel Bargeld verfügen wir, Robb?«
    Robb blickte um sich, um sich zu vergewissern, daß niemand in der Nähe war, und senkte die Stimme. »Wir haben zunächst einmal die Barren in Schottland. Eine Million und hunderttausend Pfund Sterling auf unserer Bank in England. Etwa hunderttausend hier in Silberbarren. Drei Millionen schuldet man uns für das beschlagnahmte Opium. Außerdem haben wir für zweihunderttausend Guineen Opium auf der Scarlet Cloud, legen wir den gegenwärtigen Marktpreis zugrunde. Und …«
    »Schreib die Scarlet Cloud ab, mein Junge. Die ist untergegangen.«
    »Immerhin gibt es noch eine gewisse Chance, Dirk. Wir können ihr noch einen Monat geben. Andere Schiffe haben noch Opiumladungen im Wert von etwa hunderttausend Guineen. Neunhunderttausend schulden wir in Sichtwechseln.«
    »Und wie hoch wären unsere Unkosten in den nächsten sechs Monaten?«
    »Hunderttausend Guineen für die Schiffe, die Heuern und die Bestechungsgelder.«
    Struan dachte einen Augenblick nach. »Morgen wird unter den Händlern eine Panik ausbrechen. Nicht einer von ihnen – vielleicht mit Ausnahme von Brock – kann sein Opium innerhalb einer Woche verkaufen. Am besten verfrachtest du unseren gesamten Opiumvorrat noch heute nachmittag die Küste hinauf. Ich glaube …«
    »Longstaff muß diesen Erlaß widerrufen«, sagte Robb mit wachsender Unruhe. »Es wird ihm nichts anderes übrigbleiben, sonst ruiniert er die Staatskasse und …«
    »Willst du mir jetzt endlich zuhören? Wenn morgen die Panik ausbricht, nimm jeden Tael, den wir haben, und jeden Tael, den du dir leihen kannst, und kauf Opium. Es müßte möglich sein, statt einen Dollar nur zehn Cents zu zahlen.«
    »Aber wir können nicht innerhalb einer Woche unsere gesamten Vorräte abstoßen, gar nicht zu reden von dem, was noch dazukommt.«
    Struan klopfte die Asche seines Stumpens ab. »Einen Tag vor dem Inkrafttreten des Erlasses wird Longstaff ihn widerrufen.«
    »Jetzt verstehe ich überhaupt nichts mehr.«
    »Für ihn handelt es sich nur darum, das Gesicht zu wahren, Robb. Nachdem der Admiral verschwunden war, habe ich Longstaff erklärt, daß das Opiumverbot den gesamten Handel untergraben würde. Mein Gott, wie oft werde ich das noch erklären müssen? Dann habe ich ihn darauf hingewiesen, daß er diesen Erlaß nicht gut sofort widerrufen könne, ohne das Gesicht zu verlieren und den Admiral – der zwar ein Mann mit bestem Willen ist, aber vom Handel keine Ahnung hat – ebenfalls das Gesicht verlieren zu lassen. Es blieb gar nichts weiter übrig, als zunächst einmal diesen Erlaß bekanntzugeben, um dem Admiral Gesicht und Stellung zu retten – auch Longstaffs eigene –, und ihn dann zu widerrufen. Ich versprach ihm, in der Zwischenzeit dem Admiral zu erklären, was ›Handel‹ eigentlich sei. Auf die Chinesen wird der Erlaß außerdem einen guten Eindruck machen und sie in eine ungünstige Position hineinmanövrieren. In drei Tagen findet wieder eine Besprechung mit Ti-sen statt. Longstaff war schließlich völlig einverstanden und bat mich nur, die Sache geheimzuhalten.«
    Robbs Gesicht leuchtete auf. »Ach, Tai-Pan, du bist wirklich ein toller Kerl! Aber wer garantiert uns, daß Longstaff tatsächlich den Erlaß widerruft?«
    Struan hatte in seiner Tasche eine bereits unterzeichnete, sechs Tage vordatierte Proklamation, durch die die Anordnung widerrufen wurde. Longstaff hatte sie ihm aufgedrängt: »Nehmen Sie sie gleich mit, Dirk, damit ich das Ganze vergessen kann. Hol der Teufel diesen Papierkram, er ist entsetzlich. Aber halten Sie die Sache auf jeden Fall bis zum richtigen Zeitpunkt geheim.«
    »Würdest du an meiner Stelle einen so dummen Erlaß wieder aufheben?«
    »Ja, selbstverständlich.« Robb hätte seinen Bruder umarmen können.

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