Tai-Pan
üben begann. Wieder gähnte er und schloß zufrieden die Augen. Es gab nichts Besseres als einen kleinen Schlummer nach Tisch. Gott sei Dank bin ich ein Gentleman – ich brauche keine echten Samenkörner auszustreuen wie ein stinkender Bauer oder ein dreckiger Farmer. Verdammt, es muß schon seltsam sein, den ganzen Tag mit den Händen zu arbeiten! Saatgut auszusäen. Dann das Zeug zum Wachsen zu bringen. Den Mist auszubreiten. Entsetzlicher Gedanke. Diplomatische Samenkörner auszusäen ist viel wichtiger und eine einem Herrn angemessene Arbeit. Wo war ich stehengeblieben? Ach ja, Tee. Das Leben muß entsetzlich gewesen sein, bevor wir den Tee hatten. Ich kann nicht verstehen, wie Menschen ohne Tee haben existieren können. Ein Jammer, daß er nicht in England wächst. Das würde uns sehr viel Ärger ersparen.
»Großer Gott im Himmel!« stieß er plötzlich hervor und richtete sich auf. »Tee! Natürlich Tee! Seit Jahren liegt's dir vor der Nase, und doch hast du es noch niemals gesehen! Du bist ein Genie!« Er war von seinem Gedanken so erregt, daß er aus dem Bett sprang und einen Jig tanzte. Dann verrichtete er seine Notdurft in den Nachttopf, ging in die große Kajüte hinüber und setzte sich mit klopfendem Herzen an seinen Schreibtisch. Du weißt, wie man den englisch-chinesischen Angsttraum hinsichtlich der unausgeglichenen Handelsbilanz mit Tee, Edelmetallen und Opium zum Verschwinden bringt. Du weißt es! sagte er zu sich, verwundert und völlig überwältigt davon, wie einfach und großartig diese Überlegung war, die Struans letzte Bemerkung bei ihm ausgelöst hatte. »Mein Gott, Dirk«, rief er frohlockend, »wenn du nur wüßtest! Du hast dir selber die Kehle durchgeschnitten und die aller Chinahändler mit dazu. Zu Britanniens Ruhm und Ehre und um meiner Unsterblichkeit willen!«
Ja, wirklich, so ist es. Aber du solltest lieber den Mund halten, warnte er sich. Wände haben Ohren.
Der Gedanke war so einfach: Chinas Tee-Export untergraben. In aller Heimlichkeit eine Tonne mit Samen von Teepflanzen kaufen, erbitten oder stehlen. Dieses Saatgut heimlich nach Indien schaffen. Es müßte doch Dutzende von Gegenden geben, in denen man große Pflanzungen anlegen konnte. Noch zu meinen Lebzeiten könnten die Pflanzungen gedeihen – wir könnten unseren eigenen Tee auf unserem eigenen Boden anbauen. Haben wir erst einmal unseren eigenen Tee, dann brauchen wir weder Silber noch Opium, um damit den chinesischen Tee zu bezahlen. Die Gewinne aus dem Verkauf indischen Tees werden denen aus dem Opiumhandel bald nicht mehr nachstehen, sie werden sogar das Doppelte und Dreifache betragen, das ist also kein Problem. Wir werden den Tee anbauen, den die Welt verlangt, und wir werden ihn der Welt verkaufen. Die Krone wird durch die vermehrten Einkünfte aus der Teeabgabe großartige Gewinne erzielen, denn selbstverständlich wird unser Tee besser und billiger sein als der chinesische. Britischer Unternehmungsgeist! Und außerdem steigt unser moralisches Ansehen, weil wir dem Opiumhandel das Lebenslicht ausblasen. Die verfluchten Opiumschmuggler sind raus aus dem Geschäft, denn ohne Opium haben sie ihre Funktion verloren, und wir können den Handel mit Opium verbieten. Indien wird dabei gewaltig gewinnen. Auch China gewinnt, denn es wird keinen Opiumschmuggel mehr geben, und seinen Tee verbraucht es ohnehin im eigenen Land.
Und du, William Longstaff – der einzige Mann, der einen solchen Plan durchzuführen vermag –, du wirst gleichfalls mächtig an Ansehen gewinnen. Auch bei nur mäßigem Glück wird ein dankbares Parlament dir die Herzogswürde verleihen, denn du und nur du allein bist es, der die Lösung für dieses unlösbare Problem gefunden hat.
Aber wem kann ich die Aufgabe anvertrauen, mir dieses Saatgut zu verschaffen? Und wie kann man die Chinesen dazu veranlassen, es zu verkaufen? Selbstverständlich werden sie sich über die Folgen sofort im klaren sein. Und auf wen ist ein solcher Verlaß, daß man sagen könnte, er würde das Saatgut sicher an seinen Bestimmungsort bringen? Einen der Händler kann ich dazu nicht gebrauchen – die Händler würden beim geringsten Verdacht mir sofort Knüppel zwischen die Beine werfen. Und wie könntest du jetzt den Vizekönig von Indien auf deine Seite ziehen, ohne daß er dich um die Anerkennung bringt, der Vater dieses Gedankens eines Großanbaus in Indien zu sein?
19
Als die zwei Männer und ihre Sekundanten in den Ring stiegen, den man in der Nähe der Fahne
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