Tai-Pan
müssen!«
»Die wildesten Kerle, die es gibt!« Brock lachte auf und zeigte seine braunen, abgebrochenen Zähne. »Wer wird siegen?«
»Sie haben die Wahl. Aber ich möchte wetten, daß keiner von beiden aufgibt; auch für keinen von beiden wird das Handtuch geworfen werden.«
»Bestimmt nicht, bei Gott!«
»Vierundzwanzigste Runde!« rief Hibbs, und die Kämpfer schwankten schwerfällig in die Mitte des Rings, mit Gliedern wie Blei. Wieder schlugen sie aufeinander ein. Nur ihre Willenskraft hielt sie noch auf den Beinen. Tinker stieß eine gewaltige Linke vor, die einen Ochsen zu Fall gebracht hätte, aber der Schlag glitt an Grums Schulter ab, so daß er ausrutschte und zu Boden ging. Die Marine jubelte, die Armee brüllte, als die Betreuer den Soldaten in seine Ecke trugen. Als die halbe Minute verstrichen war, sah die Armee atemlos zu, wie Tinker in die Seile griff und sich hochzog. Die Adern an seinem Hals schwollen vor Anstrengung, aber er kam auf beide Beine und schwankte zur Linie zurück.
Struan hatte das Gefühl, als ob jemand ihn beobachtete. Er drehte sich um und sah den Großfürsten, der ihm ein Zeichen machte. Er bahnte sich einen Weg um den Ring herum und fragte sich nervös, ob es Orlow, den er mitgeschickt hatte, um beim Umzug des Großfürsten auf das Depotschiff zu ›helfen‹, gelungen sei, die Diener zu übertölpeln und irgendwelche Schriftstücke von Wert an sich zu bringen.
»Haben Sie schon den Sieger ermittelt, Mr. Struan?« fragte Sergejew.
»Nein, Hoheit.« Struan blickte zum Admiral und zum General hinüber. »Beide Männer gereichen Ihren Waffengattungen zur Ehre, meine Herren.«
»Der Marinemann hat wirklich den Teufel im Leib, ganz bemerkenswerter Kerl«, erklärte der General jovial, »aber ich glaube, daß unser Mann das bessere Stehvermögen hat.«
»Nein. Unser Mann wird auf der Linie stehen. Aber, wahrhaftig, Ihr Mann ist tüchtig, Mylord. Ein Gewinn für jede Waffengattung.«
»Warum setzen Sie sich nicht zu uns, Mr. Struan?« fragte Sergejew und deutete auf einen freien Stuhl. »Vielleicht würden Sie mir die Einzelheiten eines solchen Preiskampfes erklären?«
»Wenn Sie gestatten, meine Herren«, sagte Struan höflich und setzte sich. »Wo ist Seine Exzellenz?«
»Er ist schon verdammt früh weggegangen«, antwortete der General.
»Handelt sich um irgendwelche Berichte.« Wieder ertönte die Glocke. Sergejew rutschte unruhig auf seinem Stuhl herum. »Was war denn jemals die höchste Zahl von Runden bei einem solchen Kampf?«
»Ich habe den Burke-Byrne-Kampf im Jahr 1833 gesehen«, antwortete der Admiral. »Neunundneunzig Runden. Bei Gott, das war ein königlicher Kampf. Unglaublich mutig. Byrne starb an den Folgen der Schläge, die er eingesteckt hatte. Aber aufgegeben hat er nicht.«
»Von diesen hier wird auch keiner aufgeben – sie haben einander so geschlagen, daß sie kaum mehr bei Bewußtsein sind«, erklärte Struan. »Wäre es nicht eine sinnlose Opferung von Menschen, wenn einer von ihnen den Tod fände – oder auch beide, meinen Sie nicht, meine Herren?«
»Den Kampf abbrechen?« fragte der Großfürst ungläubig.
»Der Sinn eines solchen Kampfes liegt doch darin, Kraft und Mut auf die Probe zu stellen, Mann gegen Mann«, sagte Struan. »Sie sind gleich stark und gleich tapfer. Ich möchte behaupten, daß sie beide bewiesen haben, was sie taugen.«
»Aber dann haben Sie doch keinen Sieger. Das ist doch gewiß unbefriedigend, ein Zeichen von Schwäche, und es wird nichts bewiesen.«
»Aber es ist auch nicht anständig, einen tapferen Mann umzubringen«, entgegnete Struan ruhig. »Nur die Tapferkeit hält die beiden aufrecht.« Er wandte sich den anderen zu. »Schließlich sind sie ja beide Engländer. Es wäre besser, sie für einen richtigen Feind aufzusparen.«
Ein jähes Aufbrausen von Jubel lenkte den Admiral und den General von dem Gespräch ab, jedoch nicht Sergejew.
»Das klingt fast wie eine Herausforderung, Mr. Struan«, sagte er mit einem unergründlichen Lächeln.
»Nein, Hoheit«, erwiderte Struan verbindlich, »es ist nur eine Tatsache. Wir ehren den Mut, die Tapferkeit eines Mannes, aber in einem solchen Fall hat der Sieg hinter dem Schutz der Menschenwürde zurückzustehen.«
»Was sagen Sie dazu, Admiral?« rief der General. »Struan hat nicht so unrecht, was? Welche Runde haben wir? Die fünfunddreißigste?«
»Die sechsunddreißigste«, antwortete Struan.
»Ich schlage vor, daß wir den Kampf auf fünfzig begrenzen.
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