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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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diesen Abend zur Verfügung zu stellen, hatte er das gleiche getan.
    Nun spielten die Soldaten in ihren scharlachroten Uniformen den Gästen auf. Alles wartete jedoch voller Ungeduld auf den Beginn des Tanzes, doch mußte damit bis zu Longstaffs Ankunft gewartet werden. Er war bereits verspätet, aber dies gehörte zu seinen Vorrechten.
    Culum verbeugte sich vor einem Gast und vor noch einem und bemerkte mit einem Gefühl der Erleichterung, daß sich die Reihe der Neuankommenden lichtete. Er blickte zum Ufer, wo eine Kette von Laternen den Weg der Gäste von den Booten an geleitete, und sah nun auch Longstaffs Kutter auf den Strand auflaufen. Man half Longstaff, dem Großfürsten und dem Admiral an Land. Gott sei Dank, dachte Culum, jetzt dauert es nicht mehr lange. Wieder wanderten seine Blicke auf der Tanzfläche umher und blieben diesmal an Manoelita de Vargas hängen. Sie beobachtete ihn über ihren Fächer hinweg. Culum lächelte und machte eine leichte Verbeugung. Manoelitas Augenlider sanken halb herab; sie bewegte leicht ihren Fächer und wandte sich dann ab. Culum nahm sich vor, mindestens einen Tanz mit ihr zu tanzen.
    Er klopfte sich ein wenig Staub von seinen Aufschlägen und wurde sich bewußt, daß er nach der letzten englischen Mode gekleidet war; damit war er den meisten anwesenden Männern an diesem Abend voraus. Sein Gehrock, eng in der Taille und geschweift an den Hüften, war himmelblau und hatte dunkelblaue Seidenaufschläge. Hellblaue, hauteng anliegende Hosen steckten in weichen schwarzen Halbstiefeln. Sein Haar lockte sich über den Ohren und dem hohen, gestärkten Kragen. Robbs Schneider hatte, wie er fand, sehr gute Arbeit geleistet. Und so billig! Mit hundertundfünfzig Guineen im Monat konnte er sich wahrhaftig Dutzende von schönen Anzügen und Stiefeln leisten. Das Leben war herrlich.
    Er verbeugte sich, als wiederum eine Gruppe von Gästen vorbeiging, die einen muffigen Geruch nach altem Schweiß verbreiteten, der von Parfüm nur schlecht überdeckt war. Seltsam, dachte er, jetzt auf einmal roch er andere Menschen und merkte, daß sie stanken. Es wunderte ihn, daß er das nicht schon früher gekonnt hatte. Ganz gewiß fühlte er sich wohler, sehr viel wohler, seitdem er täglich ein Bad nahm und täglich seine Kleider wechselte. Der Tai-Pan hatte recht.
    Er sah zu seinem Vater hinüber, der in ein Gespräch mit Morley Skinner vertieft war. Culum wußte wohl, daß die Leute ihn beobachteten und daß sein Gesichtsausdruck feindselig wirkte. Soweit die Gäste dies zu beurteilen vermochten, deutete nichts darauf hin, daß die Feindschaft zwischen Vater und Sohn geringer geworden wäre. Sie hatte sich sogar noch vertieft – unter der Maske kühler Höflichkeit. Im Laufe der Zeit war es Culum immer leichter gefallen, bei dieser Irreführung der Öffentlichkeit mitzumachen. Sei ehrlich, Culum, sagte er zu sich, du vergötterst ihn nicht mehr. Du bringst ihm zwar immer noch Achtung entgegen – aber für dich ist er ein Ketzer, ein Ehebrecher, und sein Einfluß ist gefährlich. So ist es bei dir gar keine Täuschung – du bist ihm gegenüber tatsächlich kühl. Kühl und vorsichtig.
    »Ich bitte dich, Culum, Junge«, flüsterte Robb ihm unruhig zu.
    »Was ist denn, Onkel?«
    »Nichts weiter, ich dachte nur, der heutige Abend sei ein Freudenfest.«
    »Das ist er ja auch.« Culum erkannte die Beunruhigung in Robbs Augen, sagte aber nichts, sondern wandte sich ab, um weitere Gäste zu begrüßen und Mary, gelegentlich aber auch Manoelita zu beobachten. Er war zu dem Entschluß gelangt, Robb nichts von dem zu erzählen, was sich zwischen dem Tai-Pan und ihm an jenem gewissen Tag auf dem Berg abgespielt hatte.
    »Sie haben Culum, meinen Neffen, noch nicht kennengelernt«, hörte er Robb sagen. »Culum, ich möchte dich Miss Tess Brock vorstellen.«
    Culum drehte sich um. Sein Herz machte einen Sprung. In diesem Augenblick hatte er sich verliebt.
    Tess machte einen Knicks. Der Rock ihres Kleides – weißer Silberbrokat über kaskadenartigen Unterröcken, die wie Schaum unter dem Saum hervorquollen – war sehr weit. Ihre Taille unter dem tief dekolletierten Mieder wirkte zerbrechlich. In sanften Locken fiel das blonde Haar auf die nackten Schultern herab. Culum sah, daß ihre Augen blau und ihre Lippen verlockend waren. Sie erwiderte seinen Blick.
    »Es ist mir eine Ehre, Sie kennenzulernen«, hörte er sich mit einer ihm völlig fremden Stimme sagen. »Würden Sie mir auch noch die Ehre des

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