Tai-Pan
ersten Tanzes schenken?«
»Ich danke Ihnen, Mr. Struan«, antwortete sie. Ihre Stimme klang hübsch und angenehm. Aber schon war sie weitergegangen.
Liza hatte alles aufmerksam beobachtet. Weder Culums Ausdruck noch Tess' Reaktion waren ihr entgangen. Ach, mein Gott, laß es geschehen, laß es geschehen, dachte sie, während sie Brock folgte.
»Ich habe die kleine Tess gar nicht wiedererkannt, du etwa?« sagte Struan zu Robb. Auch er hatte die Blicke zwischen seinem Sohn und der Tochter der Brocks gesehen. Und schon befaßte er sich in Gedanken mit den Vorteilen und Gefahren, die eine Verbindung zwischen Culum und Tess mit sich bringen mochte. Du lieber Himmel!
»Nein. Sieh dir mal Brock an. Er platzt fast vor Stolz.«
»Ja.«
»Und was sagst du zu Mary? Niemals hätte ich geglaubt, daß sie so … so atemberaubend aussehen könnte.«
»Wirklich?« Struan betrachtete Mary einen Augenblick. Das schwarze Kleid hob die durchscheinende, schimmernde Blässe ihrer Haut hervor. Dann musterte er Manoelita. Danach nochmals Tess. Sie lächelte Culum an, der ebenso selbstvergessen ihr Lächeln erwiderte. Guter Gott, dachte er, Culum Struan und Tess Brock.
»Verdammter Shakespeare«, stieß er unwillkürlich hervor.
»Bitte, Dirk?«
»Nichts weiter. Ich möchte aber annehmen, daß Mary große Chancen hat, den Preis zu erringen.«
»Sie ist nicht dieselbe Klasse«, rief ihm Quance zu, der an ihm vorbeischlenderte und ihm zuzwinkerte. »Verglichen mit Manoelita de Vargas.«
»Oder mit Shevaun, möchte ich meinen«, fuhr Struan fort, »wenn sie uns mit ihrer Anwesenheit beehrt.«
»Die reizende Miss Tillman! Wie ich gehört habe, trägt sie nur Hosen und Tüll. Nichts weiter! Beim alten Jupiter!«
»Ach, Aristoteles«, rief Jeff Cooper, der zu ihnen trat. »Darf ich Sie einen Augenblick mal sprechen? Es handelt sich um einen Auftrag.«
»Gott segne meine unsterbliche Seele! Ich begreife wirklich nicht, was heute in alle Leute gefahren ist«, rief Quance argwöhnisch. »Den ganzen Tag nichts anderes als Aufträge.«
»Wir sind uns plötzlich darüber klargeworden, wie großartig Ihre Arbeiten sind«, antwortete Cooper hastig.
»Das wäre auch an der Zeit, kann man wohl sagen. Aber meine Preise sind im Steigen. Fünfzig Guineen.«
»Bereden wir es mal bei einem Glas Champagner?« Cooper zwinkerte Struan über Quances Kopf hinweg verstohlen zu und entführte ihn.
Struan lachte in sich hinein. Er hatte diese Parole ausgegeben, um Quance zu beschäftigen und ihn lästernden Zungen fernzuhalten – bis seine Aufgabe als Preisrichter erledigt wäre. Maureen Quance hatte er an Bord des kleinen Depotschiffs erfolgreich isoliert, indem er alle Rettungsboote von dort abgezogen hatte.
In diesem Augenblick traten Longstaff, der Großfürst und der Admiral ins Licht.
Die Trommeln schlugen einen Wirbel, und alle erhoben sich, als die Kapellen ›God Save the Queen‹ spielten. Als nächstes folgte, wenn auch zögernd, die russische Nationalhymne und schließlich ›Rule Britannia‹. Beifall brandete auf.
»Das war sehr aufmerksam von Ihnen, Mr. Struan«, sagte Sergejew.
»Es ist uns eine Freude, Hoheit. Wir möchten gern, daß Sie sich hier Wohl fühlen.« Struan wußte, daß sich alle Blicke auf sie beide gerichtet hatten, und er wußte auch, daß er bei der Auswahl seiner Kleidung klug gehandelt hatte. Im Gegensatz zu allen anderen war er völlig schwarz gekleidet, abgesehen von einem schmalen grünen Band, mit dem er sein langes Haar im Nacken zusammengebunden hatte. »Würde es Ihnen vielleicht Spaß machen, den ersten Tanz anzuführen?«
»Es wäre mir eine Ehre. Aber leider kenne ich keine der Damen.« Sergejew trug eine prächtige Kosakenuniform und am juwelenbesetzten Gürtel einen Zierdegen. Zwei livrierte Diener folgten ihm unterwürfig.
»Das ließe sich leicht beheben«, antwortete Struan lebhaft. »Vielleicht legen Sie Wert darauf, selber Ihre Wahl zu treffen? Ich werde Sie dann gern vorstellen.«
»Das wäre sehr unhöflich von mir. Ist es nicht besser, wenn Sie die Entscheidung treffen, welche der Damen mir die Ehre gibt?«
»Um mir dann die Augen auskratzen zu lassen? Aber gut.« Er wandte sich um und überquerte die Tanzfläche. Manoelita wäre die beste Wahl. Damit würde er der portugiesischen Gesellschaft, von der Noble House und alle Kaufleute dort im Fernen Osten sehr abhängig waren, denn aus ihren Reihen kamen die Sekretäre, Buchhalter und Lagerverwalter, ohne die keines der Unternehmen
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