Tai-Pan
Kommissionärs von Noble House. Er war ein Mann mit gewaltigem Leibesumfang und in kostbare Gewänder gehüllt. Sein Hut war mit Juwelen besetzt. Ein sehr wertvolles Stück reiner weißer Jade bildete seine Gürtelschnalle, seine Füße steckten in schwarzen Seidenstiefeln mit weißen Sohlen. Wie eine riesige Spinne saß er auf einem Stuhl in der Mitte der Tanzfläche und spielte mit den langen Haaren, die aus einer kleinen Warze auf seinem Kinn hervorsprossen. Ein Leibsklave fächelte ihm, denn die Nachtluft war mild.
Als alles zu seiner Befriedigung erledigt war, stand er gewichtig auf und hob seine Hand. Die Diener eilten an die ihnen zugewiesenen Plätze und standen wie die Götzenbilder, während er sie ein letztes Mal inspizierte. Noch ein Wink mit seiner Hand, und ein Diener, eine Fackel in der Hand, lief aus dem Lichtkreis in die Dunkelheit am Ufer.
Gleich darauf brach eine gewaltige Kanonade von Knallfröschen los, die mehrere Minuten währte, und alle Menschen auf den Schiffen und am Ufer eilten herbei, um sich das Schauspiel anzusehen. Als nächstes stiegen Feuerkugeln und bunte Lichtfontänen auf, es krachte, rauchte und donnerte, und danach kamen wieder Knallfrösche, Feuerräder und speiende Vulkane aus buntlodernden Flammen. Das Donnern währte noch einige Minuten, und dann dröhnte es, als ob eine ganze Flotte eine Breitseite abgegeben habe: Hunderte von Raketen explodierten am Himmel. Sie schossen mit feurigen Schweifen hinauf und entschwanden den Blicken. Nach einem Augenblick der Stille zerbarst der ganze Himmel in Büschel von Rot und Grün, Weiß und Gold. Majestätisch sanken die Lichtstrahlen herab und stürzten schließlich ins Meer.
Der Diener entzündete die letzte Lunte und rannte davon. Rote und grüne Flammen schlängelten sich an dem riesigen Bambusgerüst entlang, das gleich darauf auflodernd das Bild des Löwen und des Drachens zeigte. Diese Flagge aus Feuer brannte einige Minuten lang und erlosch mit einer gewaltigen Explosion ebenso plötzlich, wie sie aufgelodert war.
Einen Augenblick herrschte tiefe Finsternis. Dann barst die eingetretene Stille unter dem mächtigen Aufbrausen des Jubels, der von den umliegenden Bergen zurückgeworfen wurde. Während sich die Augen wieder an die Dunkelheit gewöhnten, glühten die einladenden Lichter der Tanzfläche erneut auf. Freudige Erwartung ergriff Hongkong.
Shevaun wimmerte vor Schmerz. »Nicht mehr«, flehte sie.
Ihre Dienerin packte die Korsettbänder noch fester und drückte ihr Knie gegen Shevauns Gesäß. »Atmen Sie aus«, befahl sie. Und als Shevaun gehorchte, zog sie die Bänder ein letztes Mal an und band sie zur Schleife. Shevaun holte keuchend Atem.
»So, mein Liebling«, erklärte das Mädchen, das eine Haube trug. »Das wäre getan.« Sie war eine kleine, adrette Irin mit stählernen Handgelenken und hieß Kathleen O'Rourke. Sie war erst Shevauns Kinderfrau und später ihre Dienerin gewesen, und sie vergötterte ihre Herrin. Braunes Haar umrahmte ein freundliches Gesicht mit lachenden Augen und einem Grübchen im Kinn. Sie war achtunddreißig Jahre alt.
Shevaun stützte sich auf einen Stuhl in der Kammer und stöhnte auf. Sie war kaum fähig zu atmen. »Ich werde ohnmächtig, noch ehe der Ball zu Ende ist.«
Kathleen suchte das Bandmaß und maß Shevauns Taille. »Bei der heiligen Mutter Gottes, siebzehneinhalb Zoll! Und wenn Sie ohnmächtig werden, mein Liebling, achten Sie darauf, daß Sie anmutig sind wie eine Wolke und alle Sie beobachten.«
Shevaun trug rüschenbesetzte Hosen und Seidenstrümpfe. Das Korsett mit den Fischbeinstäben preßte ihre Hüften, zwängte die Taille gewaltsam zusammen und drängte ihre Brüste nach oben. »Ich muß mich einen Augenblick hinsetzen«, sagte sie schwach.
Kathleen suchte das Riechsalz und hielt es Shevaun unter die Nase. »Bitte, mein liebes Herzchen. Sobald diese Frauenzimmer Sie sehen, werden Sie sich nicht mehr im geringsten schwach fühlen. Nicht im geringsten. Bei der heiligen Mutter Gottes, beim heiligen Joseph! Sie werden die Schönste auf dem Ball sein.«
An der Tür wurde hart angeklopft. »Bist du noch nicht fertig, Shevaun?« rief Tillman.
»Nein, Onkel. Aber es dauert nicht mehr lange.«
»Dann beeil dich, meine Liebe. Wir müssen vor Seiner Exzellenz dort sein!« Er stampfte davon.
Kathleen lachte still vor sich hin. »Welch törichter Mann, mein Herzchen. Er hat noch nicht begriffen, daß eine Frau ihren großen Auftritt braucht.«
Quance legte seine Farben
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