Tai-Pan
ebenso wie alle anderen –, wie, zum Teufel, dieses Kleid eigentlich hielt, und ob es wohl heruntergleiten würde? »Wann Sie auch kommen, es ist immer richtig, Shevaun.« Er wandte sich Sergejew zu. »Darf ich Ihnen Miss Shevaun Tillman aus Amerika vorstellen, Hoheit? Ach, und Mr. Tillman. Seine Hoheit, Großfürst Alexej Sergejew.«
Vergessen stand Tess da und sah zu, wie Shevaun nochmals einen Hofknicks machte. Sie haßte sie, weil sie ihr den Glanz ihres großen Auftritts zerstört hatte. Zum erstenmal in ihrem Leben war sie eifersüchtig auf eine Frau. Und es war auch das erste Mal, daß sie sich selber als Frau und nicht mehr als Mädchen empfand.
»Was für ein schönes Kleid, Miss Tillman«, sagte sie mit falscher Freundlichkeit. »Haben Sie das selber gemacht?«
In Shevauns Augen funkelte es, aber sie antwortete ebenso süßlich: »Aber nein, meine Liebe, dazu fehlt mir leider Ihr Talent.« Du schmutzige Hurendirne.
»Darf ich um die Ehre des ersten Tanzes bitten, Shevaun?« sagte Longstaff.
»Nur zu gern, Exzellenz.« Sie fühlte sich von dem Neid und der Eifersucht, die sie geweckt hatte, angenehm erregt. »Was ist das für ein schönes Bild, Tai-Pan!« Sie lächelte Struan an.
»Ich danke Ihnen«, antwortete Struan ein wenig zerstreut. Dann drehte er sich um und machte dem Kapellmeister der Marine ein Zeichen.
Der Dirigentenstab senkte sich, und schon erklangen die ersten mitreißenden Takte eines Wiener Walzers. Obwohl der Walzer noch nicht als ganz gesellschaftsfähig galt, war er doch der beliebteste aller Tänze.
Der Großfürst führte Tess auf die Mitte der Tanzfläche, und Shevaun wünschte sich, Tess würde stolpern und hinfallen oder, noch besser, wie eine Kuh tanzen. Aber Tess schwebte wie ein Blatt im Wind dahin. Longstaff bot Shevaun den Arm. Als sie sich mit bezaubernder Anmut zu drehen begann, bemerkte sie, daß Struan auf eine dunkeläugige portugiesische Schönheit zuging, die sie niemals zuvor gesehen hatte, und sie war wütend. Aber bei der nächsten Drehung entdeckte sie, daß Struan Liza Brock auf die Tanzfläche geführt hatte, und sie dachte: Tai-Pan, du bist wahrhaftig sehr gerissen. Aber gerade deswegen liebe ich dich. Dann beobachtete sie, daß Tess und der Großfürst in der Mitte der Tanzfläche tanzten, und sie führte Longstaff, der ein sehr guter Tänzer war, ebenfalls in die Mitte, ohne ihn merken zu lassen, daß er geführt wurde.
Culum stand am Rande und sah zu. Er nahm ein Glas Champagner und stürzte es hinunter. Schließlich aber durfte er sich vor Tess verbeugen und sie um den zweiten Tanz bitten.
Brocks Stirnrunzeln entging ihm, auch, daß Liza in aller Eile Brock abzulenken suchte. Und ebenso blieb ihm Gorths plötzliche Neugier verborgen.
Walzer und Polka, schottischer Reel und Galopp folgten einander. Am Ende jedes Tanzes war Shevaun umringt, auch Manoelita – wenn auch weniger stürmisch. Culum tanzte mit Tess ein drittes Mal, und viermal an einem Abend war das höchste, was der gute Ton erlaubte.
Beim letzten Tanz vor dem Abendessen drängte sich Struan durch den Kreis um Shevaun. »Meine Herren«, erklärte er mit ruhiger Entschlossenheit, »es tut mir leid, aber dieser Tanz ist das Vorrecht des Gastgebers.« Die Männer seufzten auf und überließen sie ihm. Er wartete nicht erst auf das Einsetzen der Musik, sondern führte sie sogleich auf die Tanzfläche hinaus. Jeff Cooper beobachtete die beiden eifersüchtig. Es war sein Tanz gewesen.
»Die beiden passen gut zueinander«, sagte er zu Tillman.
»Allerdings. Warum machen Sie ihr nicht etwas energischer den Hof? Sie kennen doch meine Ansicht. Und die meines Bruders.«
»Es ist ja noch Zeit.«
»Jetzt nicht mehr, wo Struan unverheiratet ist.«
Coopers Augen verengten sich. »Würden Sie eine solche Eheschließung begünstigen?«
»Natürlich nicht. Aber mir ist völlig klar, daß sich Shevaun besinnungslos in diesen Mann verliebt hat.« Dann fügte Tillman gereizt hinzu: »Es ist höchste Zeit, daß sie zur Ruhe kommt. Seit ihrer Ankunft habe ich nichts als Aufregungen, ich bin es müde, den Wachhund zu spielen. Ich kenne Ihre Wünsche, halten Sie also offiziell um ihre Hand an, damit wir die Sache hinter uns bringen.«
»Erst, wenn ich sicher bin, daß sie mich nicht zurückweist – und daß sie's aus freien Stücken und gern tut. Sie ist keine Sklavin, die man nach Belieben kaufen und verkaufen kann.«
»Richtig. Aber sie ist noch immer ein weibliches Wesen und nicht volljährig; sie
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