Tai-Pan
fächelte sich, sehr mit sich zufrieden. Er wischte sich den Schweiß von der Stirn und war sehr froh, daß ihm seine beiden Wagnisse gelungen waren: Tess und der Cancan.
Alle kehrten zu ihren Plätzen zurück, und die Diener trugen nun Tabletts mit verschiedenen Speisen an die Tische. Es gab geräucherten Lachs, geräucherten Schinken, Fisch, Austern, Muscheln und Würste, frisches Obst, das Tschen Scheng einer Lorcha abgehandelt hatte, die die gefährliche Seereise von Manila her gewagt hatte, ganze Lendenstücke von frisch geschlachteten Rindern, der Marine abgekauft und über offenem Feuer gebraten, Spanferkel, Schweinsfüße in Sülze.
»Ich muß schon sagen«, rief Sergejew, »niemals habe ich so viel Essen auf einmal gesehen. Und so gut amüsiert habe ich mich schon seit Jahren nicht mehr, Mr. Struan.«
»Ach, Hoheit«, erwiderte Shevaun und zog eine Augenbraue hoch, »wir sind von Noble House nichts anderes gewohnt.«
Struan und die anderen lachten. Der Tai-Pan setzte sich ans Kopfende der Tafel. Sergejew saß zu seiner Rechten, Longstaff zu seiner Linken, Shevaun neben dem Großfürsten und Mary Sinclair neben Longstaff; Glessing, sehr um sie bemüht, kam als nächster. Am gleichen Tisch waren auch noch Horatio, Aristoteles, Manoelita und der Admiral versammelt, außerdem Brock, Liza und Jeff Cooper. Robb und Culum spielten die Gastgeber an ihren eigenen Tischen.
Struan streifte Aristoteles mit einem Blick und fragte sich, wie in aller Welt es diesem gelungen sei, Vargas zu überreden, ihm Manoelita als Tischdame zu überlassen. Großer Gott, dachte er, ist etwa Manoelita diejenige, die ihm für das Porträt sitzt?
»Ausgerechnet der Cancan!« rief Longstaff. »Wahrhaftig, ein verteufelt gefährliches Wagnis, Tai-Pan.«
»Nicht für moderne Menschen, Exzellenz. Ich hatte den Eindruck, daß es allen einen Mordsspaß gemacht hat.«
»Aber hätte Miss Tillman nicht die Initiative ergriffen«, mischte sich Sergejew ein, »ich bezweifle, ob irgend jemand den Mut dazu aufgebracht hätte.«
»Was blieb mir denn sonst übrig, Hoheit?« erwiderte Shevaun. »Die Ehre stand auf dem Spiel.« Sie wandte sich Struan zu. »Sehr ungezogen von Ihnen, so etwas zu machen, Tai-Pan.«
»Gewiß, gewiß«, antwortete er. »Aber wenn Sie mich jetzt einen Augenblick entschuldigen wollen, ich muß mich darum kümmern, ob meinen Gästen nichts fehlt.«
Er ging zwischen den Tischen hindurch und begrüßte alle. Als er an Culums Tisch trat, setzte jähe Stille ein, und Culum blickte auf. »Hallo«, sagte er.
»Alles in Ordnung, Culum?«
»Ja, ich danke.« An Culums Höflichkeit war nichts auszusetzen, aber sie war kühl. Gorth, der Tess gegenüber an Culums Tisch saß, lachte in sich hinein. Struan ging weiter.
Als das Essen vorbei war, zogen sich die Damen in das große Zelt zurück, das man etwas abseits für sie aufgeschlagen hatte. Die Männer saßen in Gruppen an den Tischen, rauchten und tranken Portwein, zufrieden, eine Weile allein zu sein. Jetzt konnten sie sich gehenlassen und über den steigenden Verkaufspreis der Gewürze reden, und Robb und Struan tätigten dabei vorteilhafte Geschäftsabschlüsse in Gewürzen und Frachtraum. Alle schienen davon überzeugt, daß Shevaun der erste Preis gebührte, aber Aristoteles schien dessen nicht so sicher.
»Wenn Sie ihr den Preis nicht geben«, erklärte Robb, »wird sie Sie umbringen.«
»Ach, Robb, Sie Unschuldslamm!« rief Aristoteles. »Ihr alle seid ja nur von ihren Titten verhext – gewiß, die sind auch großartig –, aber bei diesem Wettbewerb handelt es sich um die am besten angezogene und nicht um die am meisten ausgezogene Frau!«
»Aber ihr Kleid ist doch fabelhaft. Bei weitem das schönste.«
»Sie Armer, Sie haben eben nicht das Auge des Malers – auch fühlen Sie nicht die Verantwortung einer unsterblichen Entscheidung auf Ihren Schultern.«
So verschlechterten sich allmählich Shevauns Chancen. Mary rückte vor, und Manoelita hatte ebenfalls ihre Fürsprecher.
»Wen würden Sie wählen, Culum?« fragte Horatio.
»Selbstverständlich Miss Sinclair«, antwortete Culum höflich, obwohl es in seinen Augen nur eine Dame auf diesem Ball gab, die einer solchen Ehre würdig war.
»Das freut mich zu hören«, sagte Horatio. Er wandte sich ab, als Mauss ihn anrief. »Entschuldigen Sie mich einen Augenblick.«
Culum setzte sich an einen der Tische, zufrieden damit, eine Weile mit seinen Gedanken allein zu bleiben. Tess Brock. Was für ein hübscher Name!
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