Tai-Pan
hatten. »Dürften wir Sie einen Augenblick stören, Exzellenz?« fragte Turnbull.
»Selbstverständlich.«
»Es tut mir leid, daß ich bei einem Fest Ihnen mit amtlichen Dingen kommen muß, aber es hat doch eine gewisse Bedeutung. Eine unserer Vorposten-Fregatten hat einen Haufen von Piratengesindel aufgebracht.«
»Ausgezeichnet. Also ein einfacher Fall?«
»Ja, Exzellenz. Die Marine hat die Kerle an der Südküste vor dem Ort Aberdeen geschnappt. Sie waren gerade dabei, eine Dschunke auszurauben. Die Mannschaft hatten sie niedergemacht.«
»Verdammte Lumpen!« rief Longstaff. »Haben Sie sie schon vor Gericht gestellt?«
»Hier eben liegt das Problem«, antwortete Turnbull. »Kapitän Glessing ist der Meinung, es sollte ein Gericht der Admiralität sein – aber meiner Ansicht nach handelt es sich hier um einen Fall für die zivile Gerichtsbarkeit. Andererseits jedoch fallen nur kleinere Delikte und ganz bestimmt keine Kapitalverbrechen in meine Zuständigkeit. Dieser Fall jedoch sollte einem Geschworenengericht zur Aburteilung überlassen werden.«
»Ganz richtig. Aber solange wir noch nicht offiziell Kolonie sind, haben wir auch keinen Richter. Das wird noch Monate dauern. Und wir können niemanden, ganz gleich, welches Verbrechen wir ihm zur Last legen, so lange in einem Gefängnis einsperren, ohne ihm den Prozeß zu machen – alles andere wäre gesetzwidrig.« Longstaff dachte einen Augenblick nach. »Ich möchte sagen, daß es doch eher die Angelegenheit eines zivilen Gerichts ist. Wenn die Geschworenen zu einer Verurteilung gelangen, schicken Sie mir die Akten zu, dann bestätige ich den Urteilsspruch. Aber Sie täten gut daran, vor dem Gefängnis den Galgen zu errichten.«
»Das kann ich aber nicht tun, Exzellenz. Das würde auch nicht mit dem Gesetz in Einklang stehen. Das Gesetz ist in dieser Hinsicht völlig eindeutig – nur ein ordentlicher Richter darf einen solchen Prozeß durchführen.«
»Aber wir können doch nicht Menschen endlose Zeit einsperren, die eines Verbrechens bezichtigt werden, ohne ihnen die Möglichkeit zu geben, sich in einem gerechten und alle Möglichkeiten berücksichtigenden Verfahren zu verantworten. Was würden denn Sie vorschlagen?«
»Ich weiß es nicht, Sir.«
»Verdammt ärgerlich so etwas!« sagte Longstaff. »Aber natürlich haben Sie recht.«
»Vielleicht sollten wir sie den chinesischen Behörden übergeben, damit diese sie aburteilen«, schlug Glessing vor. Ihm lag daran, der Sache jetzt ein Ende zu setzen, damit er mit Horatio sprechen konnte.
»Dem muß ich aufs schärfste widersprechen«, erklärte Turnbull. »Das Verbrechen ist in britischen Gewässern begangen worden.«
»Ganz recht«, meinte Longstaff. »Behalten Sie vorläufig alle derartigen Leute in Haft. Ich werde inzwischen eine dringende Eingabe ans Außenministerium machen und um Verhaltungsmaßregeln bitten.«
»Jawohl, Exzellenz.« Turnbull hielt inne. »Dann möchte ich aber auch Mittel zum Ausbau des Gefängnisses zur Verfügung gestellt bekommen. Ich habe Dutzende von räuberischen Überfällen und einen schweren Einbruch.«
»Na schön«, erklärte Longstaff gelangweilt, »bereden wir das doch morgen.«
»Vielleicht könnte ich für morgen einen Termin erhalten, Exzellenz«, sagte Glessing. »Ich brauche Geld, um Lotsen anzuheuern, außerdem sollten wir Hafen- und Liegegebühren festlegen. Auch bitte ich um die Genehmigung, einige schnelle Piratenjäger anzuwerben. Es gehen Gerüchte um, daß Wu Fang Tschoi, dieser Teufel, weiter nördlich mit einer Flotte liegt. Außerdem brauche ich die Genehmigung, unsere Gerichtsbarkeit über alle Gewässer von Hongkong auszudehnen. Es ist auch dringend nötig, einheitliche Regelungen für die Ausklarierungen und ähnliche Dinge zu treffen.«
»Sehr schön, Kapitän«, sagte Longstaff, »morgen mittag also.« Und dann zu Turnbull gewandt: »Um neun Uhr?«
»Danke, Exzellenz.«
Zu Glessings Kummer drehte sich Longstaff um und ging auf Horatio zu. Du lieber Gott, dachte er, ihn werde ich heute abend niemals allein sprechen können.
Struan betrachtete die Schiffe, die vor Anker lagen, und blickte prüfend zum Himmel auf. Gutes Wetter, dachte er.
»Ein sehr schöner Hafen, Mr. Struan«, bemerkte Sergejew, der auf ihn zuschlenderte, höflich.
»Ja. Es ist schön, daß wir endlich unsere eigenen Gewässer haben.« Struan war auf der Hut, gab sich nach außen hin aber völlig unbekümmert. »Im Lauf der Zeit wird Hongkong ein strahlendes Juwel in
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