Tai-Pan
bleibt Ihnen keine Wahl.« Er sah Tillman an. »Ich nehme an, daß Sie es schriftlich haben?«
Tillman machte eine Handbewegung auf den Schreibtisch zu. »Dort liegt der Brief. Aber es geht Sie verdammt noch mal nichts an.«
»So lautet das Gesetz, Shevaun. Sie sind minderjährig und verpflichtet, das zu tun, was Ihr Vater von Ihnen verlangt.« Niedergeschlagen wandte sich Struan der Tür zu, aber Shevaun hielt ihn zurück.
»Wissen Sie, warum ich verkauft werde?« stieß sie hervor.
»Hüte deine Zunge, Mädchen!« schrie Tillman. »Seitdem du hier herausgekommen bist, hat es mit dir nichts als Scherereien gegeben. Es ist höchste Zeit, daß du lernst, dich anständig zu benehmen und den älteren Angehörigen deiner Familie mit Respekt zu begegnen.«
»Ich bin für Geschäftsanteile verkauft worden!« rief sie erbittert. »Für Geschäftsanteile in der Firma Cooper-Tillman.«
»Das stimmt nicht!« entgegnete Tillman mit unheimlich verzerrtem Gesicht.
»Shevaun, Sie sind überreizt«, begann Cooper betreten. »Es ist alles nur so plötzlich gekommen und …«
Struan wollte an ihr vorbeigehen, aber sie hielt ihn fest. »Warten Sie, Tai-Pan. Hier geht es um ein Geschäft. Ich weiß, wie es in dem Kopf eines Politikers aussieht. Die Politik ist ein teures Vergnügen.«
»Halt deinen Mund!« brüllte Tillman. Dann ächzte er vor Schmerzen auf und sank in seinem Bett in sich zusammen.
»Ohne Einkünfte von hier«, fuhr sie erregt fort, »kann sich mein Vater die Stellung eines Senators nicht leisten. Mein Onkel ist der älteste Bruder, und wenn mein Onkel stirbt, kann Jeff die Beteiligung der Tillmans zum Nennwert erwerben, und dann …«
»Ich bitte Sie, Shevaun!« unterbrach Cooper sie schroff. »Das hat mit meiner Liebe zu Ihnen nichts zu tun. Für wen halten Sie mich?«
»Seien Sie doch ehrlich, Jeff. Stimmt es etwa nicht? Stimmt die Sache mit dem Nennwert etwa nicht?«
»Gewiß«, erwiderte Cooper nach einer Weile finster. »Ich kann unter solchen Umständen die Tillman-Anteile erwerben. Aber ich habe ein solches Geschäft nicht im Sinn. Ich kaufe keine Sklavin. Ich liebe Sie, und ich möchte, daß Sie meine Frau werden.«
»Und wenn ich es nicht werde, erwerben Sie dann die Anteile meines Onkels nicht?«
»Das weiß ich jetzt noch nicht. Ich werde es im gegebenen Augenblick entscheiden. Sollte ich vor Ihrem Onkel sterben, könnte er meine Anteile erwerben.«
Shevaun wandte sich wieder Struan zu. »Bitte, kaufen Sie mich doch, Tai-Pan.«
»Das kann ich nicht, mein Kind. Aber ich glaube auch nicht, daß Jeff Sie kaufen will. Ich weiß, daß er Sie liebt.«
»Bitte, kaufen Sie mich«, flehte sie mit gebrochener Stimme.
»Das kann ich doch nicht, mein Kind. Es wäre gesetzwidrig.«
»Das ist es nicht. Das ist es nicht!« Sie weinte hemmungslos.
Gequält legte Cooper den Arm um sie.
Als Struan auf die Resting Cloud zurückkehrte, lag May-may noch immer in unruhigem Schlaf.
Während er sie betrachtete, fragte er sich dumpf, was er wegen Gorth und Culum unternehmen sollte. Er wußte, daß er mit dem Schiff sogleich nach Macao auslaufen sollte. Aber erst wenn May-may gesund ist – ach, mein Gott, laß sie doch gesund werden. Soll ich vielleicht die China Cloud mit Orlow hinschicken – vielleicht mit Mauss zusammen? Oder soll ich warten? Ich habe Culum eingeschärft, vorsichtig zu sein – aber wird er es tun? Ach, mein Gott, hilf May-may.
Um Mitternacht klopfte es an der Tür.
»Bitte?«
Lim Din trat leise ein. Er blickte zu May-may hinüber und seufzte auf. »Fetter, dicker Maste' kommen Tai-Pan sehen, können? Heja?«
Struans Rücken und Schultern schmerzten, und sein Kopf war schwer, als er den Niedergang zu seinen Räumen auf dem nächsten Deck hinaufging.
»Entschuldigen Sie, daß ich unaufgefordert und so spät komme, Tai-Pan«, sagte Morley Skinner, während er sich schwerfällig und schwitzend aus einem Sessel erhob. »Die Sache hat eine gewisse Bedeutung.«
»Ich freue mich immer, die Leute von der Zeitung zu sehen, Mr. Skinner. Nehmen Sie doch Platz. Etwas zu trinken?« Er bemühte sich, seine Gedanken von May-may abzuwenden, und zwang sich zur Konzentration, denn er wußte, daß es sich hier nicht um einen belanglosen Besuch handelte.
»Danke. Whisky.« Skinner betrachtete die luxuriöse Einrichtung der großen Kajüte: grüne chinesische Teppiche auf sauber geschrubbten Böden; Sessel und Sofas und der Duft von gepflegtem Leder, von Salz und Hanf; und dazu der schwache,
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