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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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Vom Bischof lag keinerlei Nachricht vor. Struan beauftragte Lo Tschum, er solle versuchen, Culum zu finden. Dann trat er wieder auf die praia hinaus, ging den Hang hinauf in Richtung der Kathedrale und von dort in weniger bekannte Straßen hinein, vorbei an freundlichen Terrassenrestaurants und bunten Sonnenschirmen. Er überquerte eine weite praça und durchschritt eine riesige Toreinfahrt. Die Nonne am Empfang blickte auf.
    »Guten Morgen. Sprechen Sie englisch?« fragte Struan.
    »Ein bißchen, Senhor.«
    »Sie haben hier eine Patientin liegen – Miss Mary Sinclair. Ich bin mit ihr befreundet.«
    Es folgte eine lange Pause. »Sie sie sehen wollen?«
    »Bitte.«
    Sie machte einer chinesischen Nonne ein Zeichen und sprach auf portugiesisch rasch auf sie ein. Struan folgte der Chinesin einen Gang entlang und einige Stufen hinauf in Marys Zimmer.
    Es war ein kleiner, schmutziger, übelriechender Raum, dessen Fenster fest verschlossen waren. Über dem Bett hing ein Kruzifix.
    Marys Gesicht war blutleer, ihr Lächeln schwach. Sie war durch die ausgestandenen Leiden gealtert.
    »Ah, Tai-Pan.«
    »Was ist los, Mary?« fragte er sanft.
    »Nichts, was ich nicht verdient habe.«
    »Ich werde Sie aus diesem verdammten Haus herausholen«, sagte Struan.
    »Es geht mir gut hier, Tai-Pan. Die Menschen sind sehr freundlich zu mir.«
    »Na gut, aber es ist kein Haus für eine protestantische Engländerin.«
    Ein hagerer Mönch trat ein. Er trug eine einfache Kutte – steif von getrocknetem Blut und verschütteten Medikamenten – und ein einfaches hölzernes Kruzifix.
    »Guten Morgen«, sagte der Mönch in kultiviertem, akzentfreiem Englisch. »Ich bin Pater Sebastian. Der Arzt der Patientin.«
    »Guten Morgen. Ich habe die Absicht, sie von hier wegzubringen.«
    »Davon möchte ich abraten, Mr. Struan. Sie sollte mindestens einen Monat lang nicht transportiert werden.«
    »Was fehlt ihr?«
    »Innere Komplikationen.«
    »Sie sind Engländer?«
    »Ist das so seltsam, Mr. Struan? Es gibt viele Engländer – und auch Schotten –, die die wahre Kirche Christi anerkennen. Und wenn ich auch Katholik bin, so bin ich trotz allem noch kein minderwertiger Arzt.«
    »Haben Sie Cinchonarinde hier?«
    »Bitte?«
    »Cinchonarinde. Jesuitenrinde.«
    »Nein. Ich habe niemals welche benutzt. Niemals welche gesehen. Wieso?«
    »Nichts weiter. Was fehlt denn nun Miss Sinclair wirklich?«
    »Es ist ziemlich ernst. Miss Sinclair sollte jedenfalls einen Monat lang nicht transportiert werden. Zwei Monate wären noch besser.«
    »Fühlen Sie sich stark genug, um woanders hingebracht zu werden, Mary?«
    »Ihr Bruder, Mr. Sinclair, hat nichts dagegen, daß sie hierbleibt. Und wie ich glaube, hat auch Mr. Culum Struan meine Vorschläge gutgeheißen.«
    »Ist Culum heute hiergewesen?« fragte Struan zu Mary gewandt.
    Sie schüttelte den Kopf und sagte dann mit sehr ernstem Gesicht zu dem Mönch: »Erzählen Sie bitte dem Tai-Pan alles über… über mich.«
    »Ich glaube, das ist ein kluger Entschluß«, antwortete Pater Sebastian bedächtig. »Jemand sollte Bescheid wissen. Miss Sinclair ist sehr krank, Mr. Struan. Sie hat einen Trank aus chinesischen Kräutern – vielleicht wäre Gift die richtigere Bezeichnung – zu sich genommen, um eine Abtreibung herbeizuführen. Durch das Gift wurde zwar der Fötus entfernt, aber hinterher setzte eine schwere Blutung ein, die wir jetzt, Gott sei es gedankt, fast unter Kontrolle haben.«
    Struan fühlte plötzlich den Schweiß ausbrechen. »Wer weiß es sonst noch, Mary? Horatio? Culum?«
    Sie schüttelte den Kopf.
    Struan wandte sich zum Mönch um. »›Fast unter Kontrolle‹? Bedeutet das, daß sie über den Berg ist? Daß sie in etwa einem Monat genesen ist?«
    »Physisch, ja, wenn kein Brand eintritt. Und sollte dies geschehen, dann ist es Gottes Wille.«
    »Was meinen Sie mit physisch?«
    »Damit meine ich, Mr. Struan, daß es unmöglich ist, das Physische ohne Zusammenhang mit dem Seelischen zu betrachten. Diese Frau hat sich in furchtbarer Weise gegen die Gesetze Gottes vergangen – gegen die Gesetze der katholischen Kirche, aber auch gegen die Ihrer Kirche –, und so muß mit Gott Friede geschlossen werden, es muß zur Ablegung einer Rechenschaft kommen, bevor es eine Heilung geben kann. Das ist es, was ich zu sagen versucht habe.«
    »Wie … wie ist sie hierhergekommen?«
    »Sie wurde von ihrer Amah, einer Katholikin, hierhergebracht. Ich habe, um sie zu behandeln, besonderen Dispens erhalten, und da

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