Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
Vom Netzwerk:
haben wir sie hier hereingelegt und sie nach unseren besten Kräften behandelt. Die Oberin bestand darauf, daß jemand benachrichtigt würde, denn wir befürchteten schon das Schlimmste. So wurde Kapitän Glessing verständigt. Wir nahmen an, er sei der … er sei der Vater. Aber Miss Sinclair versichert uns, er sei es nicht – war es nicht. Und sie hat uns gebeten, die Ursache ihrer Krankheit nicht zu verraten.« Pater Sebastian hielt inne. »Diese Krise ist dank Gottes Güte überstanden.«
    »Sie werden dieses Geheimnis wahren? Was ihr zugestoßen ist, für sich behalten?«
    »Nur Sie, ich und die Nonnen wissen es. Wir haben unserem Gott gegenüber Gelübde abgelegt, die nicht gebrochen werden dürfen. Von unserer Seite haben Sie nichts zu befürchten. Aber ich weiß, daß es für diese arme Sünderin keine Genesung geben wird ohne Frieden und eine Abrechnung mit Gott. Denn Er weiß es.«
    Pater Sebastian verließ sie.
    »Der … der Pater war einer Ihrer ›Freunde‹, Mary?«
    »Ja. Ich … ich bereue mein Leben nicht, Tai-Pan. Ich kann es einfach nicht. Und ich bereue auch nichts von dem, was ich getan habe. Es ist eben Joss.« Mary blickte zum Fenster hinaus. »Joss«, wiederholte sie. »Ich bin, noch sehr jung, vergewaltigt worden – zumindest … nein, das stimmt nicht. Ich wußte nicht, worum es ging … ich hatte keine Ahnung, aber das erstemal bin ich ein wenig gezwungen worden. Dann bin ich … dann war es nicht mehr nötig, mich zu zwingen – ich wollte es selber.«
    »Und wer war er?«
    »Einer der Jungen in der Schule. Er ist inzwischen gestorben. Alles ist so lange her.«
    Struan zermarterte sein Hirn, aber er konnte sich keines Jungen erinnern, der gestorben war. Keines Jungen, der im Haus der Sinclairs hätte verkehren können.
    »Von da ab«, fuhr Mary zögernd fort, »war bei mir das Verlangen erwacht. Es war ein Bedürfnis. Horatio … Horatio war in England, und so habe ich eine der Amahs gebeten, mir einen Geliebten zu suchen. Sie hat mir erklärt, daß ich … daß ich nicht nur einen Geliebten, sondern viele haben könnte. Falls ich es geschickt anstellte und sie auch geschickt wäre, könnte ich ein heimliches Leben führen und schöne Sachen haben. Mein wirkliches Leben ist niemals erfreulich gewesen. Sie kennen den Vater, den ich hatte. So hat mir die Amah gezeigt, wie ich es anstellen mußte. Sie … sie hat mir die Männer besorgt. Miteinander … sind wir reich geworden, und ich bin froh, daß es so ist. Ich habe die beiden Häuser gekauft, und sie hat mir immer nur reiche Männer zugeführt.« Sie hielt inne, und dann, nach langer Zeit, stieß sie wimmernd hervor: »Ach, Tai-Pan, ich habe solche Angst.«
    Struan setzte sich an ihr Bett. Er mußte an das denken, was er vor nur wenigen Monaten zu ihr gesagt hatte. Und an ihre zuversichtliche Antwort.

35
    Struan stand am offenen Fenster und blickte verdrossen auf das Menschengewimmel unten auf der praia hinab. Es war die Zeit des Sonnenuntergangs. Die Portugiesen, alle für den Abend umgezogen, schlenderten hin und her, begrüßten einander mit Verbeugungen und unterhielten sich lebhaft. Die jungen fidalgos und die Mädchen flirteten verstohlen unter den aufmerksamen Blicken der Eltern und Erzieherinnen. Ein paar Kulis mit ihren Sänften trotteten auf der Suche nach Kunden umher oder setzten späte Ankömmlinge auf der Promenade ab. An diesem Abend sollte ein Ball im Palast des Gouverneurs stattfinden; auch Struan hatte eine Einladung erhalten, wußte jedoch nicht, ob er gehen würde. Culum war noch immer nicht heimgekehrt, und vom Bischof lag keine Nachricht vor.
    Am Nachmittag hatte er mit Horatio gesprochen. Horatio war wütend, weil Ah Tat, Marys Amah, verschwunden war. »Ich bin überzeugt davon, daß sie es ist, die der armen Mary das Gift eingegeben hat, Tai-Pan«, erklärte er. Mary hatte ihm nämlich erzählt, sie habe aus Versehen einen Kräutertee getrunken, den sie in der Küche gefunden hatte – mehr nicht.
    »Das ist doch Unsinn, Horatio. Ah Tat ist seit Jahren bei Ihnen gewesen. Warum sollte sie so etwas tun? Es war nichts weiter als ein böser Zufall.«
    Nachdem Horatio gegangen war, hatte Struan die Männer gesucht, mit denen Culum und Gorth in der vergangenen Nacht zusammen gewesen waren. Es waren zumeist gute Kameraden von Gorth, und alle hatten erklärt, daß Culum, einige Stunden nach Gorths Aufbruch, ebenfalls gegangen sei; er habe zwar getrunken, sei aber nicht betrunkener gewesen als die übrigen auch, nicht

Weitere Kostenlose Bücher