Tai-Pan
was lernen, aber weit gefehlt. Niemals. Jeden gottverfluchten Tag kann man nur lesen, daß der Premierminister wieder einmal erklärt hat: ›Wir alle müssen unseren Gürtel enger schnallen.‹ Haben Sie jemals davon gehört, daß einer gesagt hätte, jetzt wollten wir einmal unseren Gürtel ein wenig lockern?«
»Wie ich erfahren habe, ist der Einfuhrzoll auf Tee verdoppelt worden«, sagte Masterson. »Und wenn Peel, dieser Irre, jemals ans Ruder kommt, so wird er uns mit Bestimmtheit die Einkommensteuer einbrocken! Das ist ja eine Erfindung des Teufels!«
Es kam zu erregten Protesten, und auf Peels Haupt hagelte es Beschimpfungen.
»Dieser Mann ist nichts weiter als ein gottverdammter Anarchist!« erklärte Masterson.
»Unsinn«, rief Roach. »An den Steuern liegt es ja gar nicht. Es gibt nur ganz einfach zu viele Menschen. Die Geburten sollte man beschränken.«
»Was?« brüllte Masterson. »Bleiben Sie mir nur mit diesen gotteslästerlichen, entsetzlichen Gedanken vom Leibe. Sind Sie etwa ein Antichrist?«
»Nein, wahrhaftig nicht. Aber wir werden von den ärmeren Klassen überschwemmt. Ich sage ja nicht, daß wir die Geburtenzahl beschränken sollten, aber die anderen sollten es. Sind doch nichts weiter als Galgenvögel, als Abschaum!«
Struan warf die Zeitungen beiseite und begab sich ins Englische Hotel. Es war ein imposanter Bau mit einem Säulenportikus, dem Klubhaus ähnlich.
Im Friseursalon ließ er sich die Haare schneiden und waschen. Später bestellte er sich Svenson, den schwedischen Masseur, der früher Seemann gewesen war.
Der knorrige alte Mann bearbeitete ihn mit seinen harten Händen, rieb ihn schließlich mit Eis ab und trocknete ihn mit einem groben Tuch, bis seine Haut brannte.
»Wahrhaftig, Svenson, ich bin wie neugeboren.«
Svenson lachte, blieb aber stumm. Vor vielen Jahren hatten ihm Korsaren im Mittelmeer die Zunge herausgerissen. Er machte Struan ein Zeichen, sich auf der Matratze auszustrecken, und hüllte ihn fest in Decken ein. Dann ging er hinaus, damit Struan schlafen konnte.
»Tai-Pan!« Es war Lo Tschum.
Struan war sofort wach. »Master Culum?«
Lo Tschum schüttelte den Kopf und verzog sein Gesicht zu einem zahnlosen Lächeln. »Langrock, Maste'!«
Struan folgte dem schweigsamen Jesuitenmönch den Kreuzgang der Kathedrale entlang, der sich um den Innenhof und seinen schönen Garten hinzog.
Die Glocke der Kathedrale schlug vier.
Der Mönch bog am Ende des Ganges ab und führte ihn durch eine große Teakholztür in ein geräumiges Wartezimmer. Die Wände waren mit Wandteppichen behangen. Auch auf dem stark abgetretenen Marmorfußboden lagen Teppiche.
Ehrerbietig klopfte er an die Tür in der gegenüberliegenden Wand und betrat den Raum. In königlicher Würde saß Falarian Guineppa auf einem hochlehnigen thronähnlichen Sessel. Er machte dem Mönch ein Zeichen, daß er gehen könne. Dieser verbeugte sich und verließ den Raum.
»Nehmen Sie bitte Platz, Senhor.«
Struan setzte sich auf den ihm zugewiesenen Stuhl, der ein wenig niedriger war als der des Bischofs. Er spürte die Willenskraft dieses Mannes, der ihn zu beherrschen suchte.
»Sie haben mich kommen lassen?«
»Ja, ich habe Sie gebeten, mich aufzusuchen. Was nun die Cinchona anlangt, so gibt es keine in Macao, aber ich glaube, daß wir welche in unserer Missionsstation in Lo Ting haben.«
»Wo ist das?«
»Weiter im Innern.« Der Bischof strich eine Falte in seinem roten Talar glatt. »Ungefähr hundertundfünfzig Meilen nordwestlich von hier.«
Struan erhob sich. »Ich werde sofort jemanden hinschicken.«
»Das habe ich bereits getan, Senhor. Setzen Sie sich bitte.«
Der Bischof wirkte ernst. »Unser Bote ist in der Morgendämmerung aufgebrochen und hat Anweisung, die Strecke in kürzester Zeit zurückzulegen. Meiner Ansicht nach schafft er es auch. Er ist Chinese und stammt aus diesem Gebiet.«
»Wieviel Zeit wird er Ihrer Meinung nach brauchen? Sieben Tage, sechs Tage?«
»Das ist eine Sache, die mir ebenfalls Sorge macht. Wie viele Fieberanfälle hat die Frau schon hinter sich?«
Struan hätte den Bischof beinahe gefragt, wieso er von May-may wisse, aber er beherrschte sich. Es war ihm klar, daß die Katholiken zahllose Möglichkeiten für Geheiminformationen besaßen und daß auf jeden Fall ein so scharfsinniger Mann wie der Bischof längst erraten haben mußte, es müsse sich um eine Frau handeln. »Einen. Der erste Schweißausbruch erfolgte vor zwei Tagen, etwa um diese Zeit.«
»Dann
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