Tai-Pan
müßte etwa morgen ein zweiter fällig sein, bestimmt aber innerhalb der nächsten achtundvierzig Stunden. Der Bote wird mindestens sieben Tage brauchen, um nach Lo Ting und zurück zu gelangen – wenn alles reibungslos verläuft und keine unvorhergesehenen Schwierigkeiten auftreten.«
»Ich glaube nicht, daß sie zwei weitere Anfälle überstehen wird.«
»Wie ich hörte, ist sie jung und kräftig. Sie müßte doch acht Tage durchhalten können.«
»Sie ist seit vier Monaten schwanger.«
»Das ist allerdings sehr schlimm.«
»Ja. Wo liegt Lo Ting? Geben Sie mir eine Karte. Vielleicht kann ich noch einen Tag herausschinden.«
»Auf dieser Reise sind meine Beziehungen von tausendmal größerem Wert als die Ihren«, erwiderte der Bischof. »Vielleicht sind es nur sieben Tage. So Gott will.«
Ja, dachte Struan, tausendmal größer. Ich hätte gern das Wissen, das sich die Katholiken im Laufe der Jahrhunderte über China angeeignet haben. Welches Lo Ting? Es konnte fünfzig in einem Umkreis von zweihundert Meilen geben. »Ja«, sagte er schließlich, »so Gott will.«
»Sie sind ein seltsamer Mensch, Senhor. Ich freue mich, daß ich Gelegenheit hatte, Sie kennenzulernen. Möchten Sie ein Glas Madeira?«
»Wieviel kostet die Rinde? Wenn sie zur rechten Zeit hier ist und hilft?«
»Möchten Sie ein Glas Madeira?«
»Ja gern.«
Der Bischof läutete. Sofort erschien ein livrierter Diener mit einem ziselierten Silbertablett, auf dem eine Karaffe und Gläser standen.
»Auf ein besseres Verstehen in vielen Dingen, Senhor.«
Sie tranken – und sahen einander prüfend an.
»Der Preis, Eminenz?«
»Gegenwärtig gibt es in dieser Sache noch zu viel Unwägbares. Diese Antwort kann warten. Aber zwei andere Dinge können es nicht.« Der Bischof trank genießerisch einen Schluck Wein. »Madeira ist ein ausgezeichneter Aperitif.« Dann konzentrierte er sich auf seine nächsten Worte. »Ich mache mir ernsthafte Sorgen um Senhorita Sinclair.«
»Ich auch«, antwortete Struan.
»Pater Sebastian ist ein ausgezeichneter Arzt. Aber seine Äußerungen lassen mich vermuten, daß sich die Senhorita, wenn ihr nicht seelisch geholfen wird, das Leben nimmt.«
»Mary doch nicht! Sie ist eine sehr starke Natur. Das würde sie nie tun.«
Falarian Guineppa legte seine feinen Hände zusammen. Ein Sonnenstrahl ließ den großen Rubinring aufschimmern. »Wenn sie sich den Händen Pater Sebastians völlig anvertraute – und den Händen der Kirche Christi – könnte sie trotz ihrer Todsünde Gnade erlangen. Das wäre für sie das beste. Ich glaube von ganzem Herzen, daß dies die einzig wahre Lösung darstellt. Sollte dies aber nicht möglich sein, so muß ich, bevor sie entlassen wird, die Verantwortung für sie einem Menschen übergeben, der bereit ist, sie auf sich zu nehmen.«
»Dazu wäre ich bereit.«
»Ausgezeichnet. Aber ich glaube nicht, daß dies sehr klug gehandelt ist, Senhor. Ihr Leben und Ihre Seele – ebenso wie die Senhorita Sinclairs – liegen in jedem Fall in Gottes Hand. Ich werde darum beten, daß Ihnen und ihr die Gabe tieferen Verstehens verliehen wird. Nun gut. Bevor sie uns verläßt, werde ich alles tun, was in meiner Macht liegt, um ihre Seele zu retten, aber ich werde Ihnen Bescheid geben, sobald sie kräftig genug ist, uns zu verlassen.«
Die Glocke der Kathedrale schlug fünf.
»Was macht die Verletzung des Großfürsten Sergejew?«
Struan zog die Augenbrauen zusammen. »Ist dies das zweite, das nicht warten kann?«
»Vielleicht bei den Briten.«
Falarian Guineppa öffnete eine Schublade und holte eine vielfach versiegelte lederne Mappe hervor. »Man hat mich gebeten, Ihnen dies hier unter Wahrung der größten Vorsicht zu übergeben. Es scheint, daß gewisse diplomatische Kreise von der Anwesenheit des Großfürsten in diesem Teil Asiens äußerst beunruhigt sind.«
»Kirchliche Stellen?«
»Nein, Senhor. Ich bin aufgefordert worden, Ihnen zu sagen, daß Sie die Dokumente, wenn Sie dies wünschen, weiterreichen können. Man hat mir versichert, daß gewisse Siegel die Gültigkeit gewährleisten.« Ein Lächeln flog über sein Gesicht. »Auch die Mappe ist versiegelt.«
Struan erkannte das Siegel des Generalgouverneurs. »Warum sollte man ausgerechnet mir diplomatische Dokumente übergeben? Dafür gibt es doch diplomatische Wege. Mr. Monsey befindet sich nur eine halbe Meile von hier entfernt, und Seine Exzellenz hält sich in Hongkong auf. Beide haben in politischen Dingen große
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