Tai-Pan
dort auch keine Droge ins Glas schütten. Oder dich in einem solchen Zustand wieder abliefern. Das könnte nur ihrem Ruf schaden.«
»Aber ich bin ganz sicher. Das habe ich dem Mann gesagt. Völlig sicher!«
»In welche Richtung haben sie dich geführt? In die Chinesenstadt?«
»Ich weiß es nicht. Ich glaube mich fast zu erinnern – und dann weiß ich es doch nicht.«
»Du hast vorhin gesagt, es sei wie ein Feuer gewesen. Was verstehst du darunter?«
»Es war wie … ich erinnere mich, daß mir sehr heiß war – mein Gott, ich war ganz verrückt nach Tess und dazu der viele Alkohol und so weiter … das hat mir alles keine Ruhe mehr gelassen, und so bin ich … bin ich eben in dieses Haus gegangen …« Er verstummte. »Mein Gott, mir platzt der Kopf noch. Laß mich jetzt bitte zufrieden.«
»Hast du einen Schutz getragen?«
Culum schüttelte den Kopf.
»Dieses Feuer, dieser Drang – waren sie anders als sonst?«
Wieder schüttelte Culum den Kopf. »Nein. Das ist nun schon seit Wochen so, aber … in gewisser Weise, ich weiß nicht, war es vielleicht doch anders, nicht ganz genauso. Ich war hart wie ein Stück Eisen, und in meinen Leisten brannte es, und ich mußte ganz einfach eine Frau haben … ach, ich weiß nicht. Laß mich jetzt in Ruhe! Bitte – entschuldige, aber …«
Struan ging zur Tür. »Lo Tschum-ahhh!«
»Ja, Maste'?«
»Haus Tschen Scheng gehen. Nummer-eins-Chillo-Arzt schnell-schnell hierher! Versteh'?«
»Menge versteh', gut-ah!« antwortete Lo Tschum verletzt. »Schon gewaltig guter Arzt unten für Kopf bum-bum krank und alles krank. Junger Maste' wie Tai-Pan – ebensogut!«
Unten sprach Struan, wobei er sich Lo Tschums als Dolmetscher bediente, mit dem Arzt. Der Arzt sagte, er würde umgehend Medikamente und besondere Nahrungsmittel schicken. Er nahm auch ein reichlich bemessenes Honorar an.
Struan kehrte nach oben zurück.
»Kannst du dich an noch etwas erinnern, mein Junge?«
»Nein – an nichts. Leider nicht. Wollte dir übrigens vorhin nicht über den Mund fahren.«
»Schon gut, aber hör mir jetzt zu. Los, Culum, es ist wichtig! Kannst du dich nicht erinnern?«
»Bitte, Vater, red nicht so laut«, erwiderte Culum und öffnete unglücklich die Augen. »Was ist?«
»Alles deutet darauf hin, daß man dir ein Aphrodisiakum eingetrichtert hat.«
»Was?«
»Ja, ein Aphrodisiakum. Es gibt Dutzende, die man dir ins Glas schütten kann.«
»Unmöglich. Es war nichts weiter als der Alkohol und mein Verlangen nach … nein, das ist unmöglich!«
»Es gibt nur zwei Erklärungen. Erstens, daß dich die Kulis zu einem Bordell gebracht haben – aber nicht in die Macaofiliale des F und I –, wo sie für einen reichen Kunden ein gutes Schmiergeld und darüber hinaus einen Teil der Beute erhalten haben. Da hat oder haben die Mädchen dir eine Droge eingeflößt, dich ausgeplündert und dich dann wieder abliefern lassen. Zu deinem Besten möchte ich hoffen, daß es sich so abgespielt hat. Die zweite Möglichkeit wäre die, daß dir einer deiner Freunde das Mittel im Klub verabfolgt und die Sänfte bestellt hat, die auf dich warten und dich in ein bestimmtes Freudenhaus bringen sollte.«
»Das ist doch Unsinn! Warum sollte jemand das tun? Nur wegen hundert Guineen, eines Rings und einer Uhr? Einer meiner Freunde? Das ist doch Wahnsinn.«
»Nimm mal an, jemand haßte dich, Culum. Nimm an, jemand hätte es darauf angelegt, dich mit einem kranken Mädchen zusammenzubringen, mit einem, das die Lustseuche hat!«
»Was sagst du da?«
»Ja. Ich fürchte jedenfalls, daß genau das geschehen ist.«
Culum schnürte es für einen Augenblick die Kehle zusammen. »Du willst mich nur erschrecken.«
»Wahrhaftig nicht, mein Junge. Aber es ist eine Möglichkeit, die durchaus ernst zu nehmen ist. Ich möchte behaupten, daß sie wahrscheinlicher ist als die andere.«
»Wer sollte mir so etwas antun wollen?«
»Darauf mußt du selber die Antwort finden, mein Sohn. Aber selbst wenn das geschehen sein sollte, ist deswegen noch nicht alles verloren. Ich habe chinesische Medikamente bestellt. Die mußt du alle trinken – unbedingt.«
»Aber es gibt doch gar keine Möglichkeit, die Lustseuche zu heilen!«
»Stimmt. Doch erst, wenn sich die Krankheit festgesetzt hat. Die Chinesen aber glauben, daß man das Seuchengift, oder was immer die Ursache ist, bekämpfen kann, wenn man sofort dafür sorgt, daß das Blut gereinigt wird. Als ich vor Jahren hier herauskam, ist mir das gleiche zugestoßen.
Weitere Kostenlose Bücher