Tai-Pan
Tillman?«
»Nein, vom Bild! Dummes Geschwätz! Wie kann man denn in Gegenwart eines Meisterwerkes an so irdische Dinge denken?« Quance nahm noch eine Prise Schnupftabak, erstickte fast daran, trank einen riesigen Schluck ›Napoleon‹ aus seinem Krug und nieste.
Das Gemälde, ein Aquarell, zeigte die Flaggenparade dieses Tages. Die Einzelheiten kamen gut heraus, und es war sehr wirklichkeitsgetreu. Sogar etwas mehr als das. Brock und Mauss waren gut zu erkennen, und Glessing stand da, die Proklamation in den Händen.
»Es ist sehr gut gelungen, Mr. Quance«, sagte Struan.
»Fünfzig Guineen.«
»Ich habe schon in der vergangenen Woche ein Bild gekauft.«
»Zwanzig Guineen.«
»Ich bin nicht drauf.«
»Fünfzig Guineen, und ich male Sie, wie Sie die Proklamation verlesen.«
»Nein.«
»Mr. Cooper! Ein Meisterwerk. Zwanzig Guineen.«
»Abgesehen vom Tai-Pan und von Robb bin ich es, der die größte Quance-Sammlung im Fernen Osten hat.«
»Verdammt, meine Herren, aber ich muß mir von irgendwoher Geld beschaffen.«
»Verkaufen Sie es doch an Brock. Ihn sieht man doch schön deutlich«, schlug Struan vor.
»Die Pest über Brock!« Quance trank noch einen großen Schluck und sagte mit rauher Stimme: »Hol ihn der Teufel, er hat mich schon abgewiesen!« Und damit fuhr er zornig mit dem Pinsel über das Bild und wischte Brock weg. »Warum soll ich ihm eigentlich zur Unsterblichkeit verhelfen? Und die Pest über Sie beide. Ich schicke es an die Königliche Akademie. Auf Ihrem nächsten Schiff, Tai-Pan.«
»Wer wird die Fracht bezahlen? Und die Versicherung?«
»Ich, mein Freund.«
»Womit denn?«
Quance betrachtete das Bild. Er wußte, daß er immer besser wurde. Daß er immer würde malen können. Daß sein Talent weiter reifte.
»Ja, womit, Mr. Quance?«
Quance winkte Struan mit einer herrischen Handbewegung ab. »Mit Geld. Mit Taels, Moneten, Dollars. Mit Bargeld!«
»Haben Sie etwa eine neue Kreditquelle, Mr. Quance?«
Aber Quance antwortete ihm nicht. Er bewunderte weiterhin sein Werk, denn er wußte, der andere hatte nun angebissen.
»Los, Aristoteles, wer ist es?« bohrte Struan weiter.
Quance nahm einen gewaltigen Schluck, noch eine Prise Schnupftabak und nieste, dann flüsterte er geheimnisvoll; »Setzen Sie sich.« Er blickte um sich, um festzustellen, ob kein anderer zuhörte. »Ein Geheimnis.« Er hielt das Bild hoch. »Zwanzig Guineen?«
»Einverstanden«, sagte Struan. »Aber ich hoffe, es ist die Sache wert.«
»Sie sind ein Fürst unter den Menschen, Tai-Pan. Eine Prise?«
»Schießen Sie nur los.«
»Eine gewisse Dame scheint sich selber sehr zu bewundern. Im Spiegel. Ohne Kleider. Ich habe den Auftrag erhalten, sie so zu malen.«
»Allmächtiger! Wer denn?«
»Sie beide kennen sie sehr gut.« Dann fügte Quance mit gespielter Traurigkeit hinzu: »Ich habe geschworen, ihren Namen nicht preiszugeben. Aber ich werde ihr Gesäß der Nachwelt überliefern. Ein prächtiges Stück.« Noch ein Schluck. »Ich, na ja, habe darauf bestanden, sie ganz zu sehen, bevor ich mich bereit erklärte, den Auftrag anzunehmen.« Er küßte verzückt seine Fingerspitzen. »Makellos, meine Herren, makellos! Und ihre Titten! Du lieber Gott im Himmel, es hätte mir fast den Atem verschlagen!« Noch ein Schluck.
»Uns können Sie es doch sagen. Los, wer war es?«
»Die Hauptregel bei der Aktmalerei wie bei der Hurerei: niemals den Namen der Dame preisgeben.« Quance leerte bedauernd den Krug. »Da ist keiner unter Ihnen, der nicht seine tausend Guineen bezahlen würde, um dieses Bild zu besitzen.« Er erhob sich, rülpste kräftig, klopfte sich ab, klappte seinen Malkasten zu und griff, äußerst zufrieden mit sich selber, nach seiner Staffelei. »Na, für diese Woche haben wir genug getan. Ich werde mir bei Ihrem Kommissionär die dreißig Guineen abholen.«
»Zwanzig Guineen«, entgegnete Struan.
»Ein echter Quance vom bedeutendsten Tag in der Geschichte des Ostens«, erklärte Quance verächtlich, »für knapp den Preis eines Oxhoftfasses mit ›Napoleon‹.« Er kehrte zu seinem Langboot zurück und machte ein paar Tanzschritte, als er an Bord mit Jubelrufen begrüßt wurde.
»Großer Gott, wer kann das nur sein?« sagte Cooper schließlich.
»Sicher Shevaun«, meinte Struan und lachte kurz auf. »Zu der würde das passen.«
»Niemals. Sie ist ein wildes Ding, das stimmt, aber doch nicht so wild.« Cooper blickte beunruhigt zu dem Vorratsschiff von Cooper-Tillman hinüber, auf dem Shevaun
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