Tai-Pan
südlichsten ›Handelsfort‹ im nördlichen Kalifornien – und von dort aus durch das Landesinnere bis zum Atlantik – läßt sich durch die übliche Methode erreichen: umgehende Auswanderung in großem Maßstab. Der größte Teil der westlichen Vereinigten Staaten und ganz Kanada, mit Ausnahme eines kleinen Gebietes im Osten, sind gegenwärtig fast unbesiedelt. Daher läßt sich das Ausmaß unserer Auswanderung in die Wildnis des Nordens geheimhalten – was selbstverständlich unbedingte Voraussetzung ist. Von dort aus würden sich die Auswanderer, die im wesentlichen den abgehärteten kriegerischen Stämmen aus dem europäisch-asiatischen Raum angehören – Usbeken, Turkmenen, Sibirjaken, Kirgisen, Tadschiken und Uiguren, von denen viele weiterhin ihre nomadische Lebensweise beibehalten sollten –, ausbreiten und das ganze Land nach Belieben für sich in Anspruch nehmen.
Innerhalb der nächsten zehn Jahre müssen wir unverändert freundschaftliche Beziehungen zu Britannien und den Vereinigten Staaten pflegen. Zu diesem Zeitpunkt wird Rußland durch die Auswanderer zur stärksten Macht auf amerikanischem Boden geworden sein, und unsere Völkerstämme – die vor Jahrhunderten zu den Horden Tamerlans und Dschingis Khans gehört haben –, mit den modernsten Waffen ausgerüstet und von Russen befehligt, können dann die Angelsachsen nach Belieben ins Meer treiben.
Weit wesentlicher als dies aber ist das asiatische Problem. Wir könnten wohl auf Amerika verzichten, niemals jedoch auf Asien.
Der Schlüssel zu Asien ist China. Und China liegt vor unserer Tür. Wir haben nahezu fünftausend Meilen Grenze gemeinsam. Wir müssen China beherrschen, oder wir werden niemals in Sicherheit leben können. Wir dürfen nie zulassen, daß dieses Reich stark oder von einer anderen Großmacht beherrscht wird. Dann säßen wir zwischen Ost und West in der Falle und könnten uns zu einem Zweifrontenkrieg gezwungen sehen. Unsere Politik in Asien kennt nur einen Grundsatz, und dieser ist zwingend: China muß schwach bleiben, es muß ein Trabant Rußlands sein und der russischen Einflußsphäre angeschlossen werden.
Es gibt nur eine Macht, die zwischen uns und dem Erfolg steht: Britannien. Kann sie durch List oder Druck daran gehindert werden, eine Insel vor Chinas Küste an sich zu bringen und zu einem festen Stützpunkt auszubauen, gehört Asien uns.
Selbstverständlich müssen wir vermeiden, uns unseren britischen Verbündeten zum jetzigen Zeitpunkt zu entfremden. Frankreich, Preußen und die Habsburger sind mit der Entspannung an den Dardanellen ebensowenig zufrieden wie Rußland. Wir müssen also gegen ihre ständigen Störversuche gewappnet sein. Ohne britische Unterstützung könnte unser geliebtes heiliges Rußland einem Angriff ausgesetzt sein. Vorausgesetzt, die Briten fühlen sich an ihre erklärte Politik China gegenüber gebunden – nämlich ›nur Handelsbeziehungen anzuknüpfen und Handelsplätze anzulegen, an denen alle westlichen Nationen in gleicher Weise teilhaben dürfen‹ –, können wir in Sinkiang, in Turkestan und in die Mongolei einmarschieren und den Landweg nach China beherrschen. (Schon jetzt kontrollieren wir Einmarschrouten, die sich in unmittelbarer Nähe vom Chaiberpaß und von Kaschmir befinden, von wo aus der Vormarsch nach Britisch-Indien erfolgen könnte.) Sollten Nachrichten über unsere territorialen Eroberungen durchsickern, so wird in einer offiziellen Stellungnahme verlautbart, daß Rußland lediglich feindselige wilde Stämme in seinem eigenen Hinterland befriedet habe. In fünf Jahren könnten wir auf diese Weise an der Schwelle von Chinas Kernland, nordwestlich von Peking, stehen. Dann wird es uns durch einfachen diplomatischen Druck möglich sein, dem Mandschu-Kaiser Ratgeber aufzuzwingen und durch ihn das Chinesische Reich so lange zu beherrschen, bis es sich ohne Mühe in Vasallenstaaten aufteilen läßt. Die Feindschaft zwischen der Herrenschicht der Mandschus und den chinesischen Untertanen kommt unseren Plänen entgegen, und selbstverständlich werden wir alles tun, um sie zu schüren.
Wir sollten um jeden Preis die Briten dazu ermutigen und sie dabei unterstützen, Handelsniederlassungen in den Festlandhäfen Chinas zu gründen und zu unterhalten. Sie werden dort durch unmittelbaren chinesischen Druck niedergehalten, ein Vorgang, auf den wir im Laufe der Zeit auf diplomatischem Weg Einfluß nehmen könnten. Und wir müssen um jeden Preis die Engländer davon abbringen,
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