Tai-Pan
seine gottverdammte Unbeherrschtheit!«
»Wie geht es Mrs. Brock?«
»Den Umständen entsprechend – wie es in den Zeitungen heißt. Wie geht es … ist eigentlich die Cinchona eingetroffen?«
»Ja. Sie hat es überstanden.«
»Welch ein Glück!«
»Ja.« Aber trotz dieses Gefühls der Zufriedenheit war Struan von einer unklaren, quälenden Angst befallen. Er hätte nicht zu sagen vermocht, wovor er sich ängstigte – es war einfach das Gefühl, daß irgendwo Gefahr lauerte. Die Briefe gaben dafür keinerlei Anhaltspunkte. Gordon Tschen hatte geschrieben, er hoffe noch immer, die Cinchona aufzutreiben. Und Skinner hatte erklärt, er würde die Nachricht umgehend veröffentlichen und Struan noch an diesem Tag erwarten.
Aber heute kann es nicht sein. Wäre ich nur fest geblieben und hätte May-may gesagt, sie müsse bleiben.
»Morgen kehre ich nach Hongkong zurück. Ihr beiden kommt am besten mit mir.«
»Ich halte es für richtiger, wenn wir mit Mrs. Brock und Lillibet zusammen an Bord der White Witch reisen«, sagte Culum. »Mrs. Brock hat ihrem Mann heute morgen durch eine Lorcha die Nachricht geschickt. Uns … und Gorth betreffend.«
»Mach dir keine Sorgen, mein Junge. Liza Brock bekommen wir schon herum, und Tyler wird euch ebenfalls keine Schwierigkeiten machen. Er hat einen Eid abgelegt, vergiß das nicht.«
Culum betrachtete den Tai-Pan einen Augenblick. »Hast du eigentlich gewußt, daß ich Tess an Bord der China Cloud mitgenommen hatte?«
»Als sie nicht zu finden war, hoffte ich, du hättest es getan«, antwortete Struan behutsam.
Culum nahm einen Briefbeschwerer in die Hand, der auf dem Schreibtisch lag. Er war aus weißer Jade und sehr schwer. »Ich bin sehr töricht gewesen.«
»Das finde ich nicht. Es ist das Beste, was du hast tun können. Jetzt hast du festen Boden unter den Füßen.«
»Ich war sehr töricht, weil ich wieder einmal eine Marionette gewesen bin.«
»Aber wieso denn?«
»Ich glaube, du warst es, der mir den Gedanken, Tess zu entführen, eingegeben hat. Ich glaube auch, daß du ganz bewußt Orlow meinem Kommando unterstellt hast, in der Annahme, ich würde ihm den Befehl geben, uns zu trauen. Ich bin überzeugt davon, du hast mich und Tess in diese Sache hineingehetzt. Denn du hast gewußt, damit würdest du Gorth rasend machen und ihn dazu treiben, dich in aller Öffentlichkeit anzugreifen. Und dann hattest du Gelegenheit, ihn mit gutem Grund umzubringen. Ist es nicht so?«
Struan saß regungslos in seinem Sessel. Seine Augen gaben Culums Blick nicht mehr frei. »Ich weiß nicht recht, was ich dir antworten soll, Culum. Ich weiß nicht einmal mit Sicherheit, ob du überhaupt eine Antwort haben möchtest. Tatsache ist, daß du Tess schnell heiraten wolltest, und nun bist du verheiratet. Tatsache ist auch, daß Gorth dich in der gemeinsten Weise, die ein Mensch überhaupt ersinnen kann, hat ermorden wollen. Tatsache ist ebenfalls, daß er tot ist und ich bedauere, nicht das Vergnügen gehabt zu haben, ihn eigenhändig umzubringen. Es ist aber andererseits nicht zu leugnen, daß sein Blut nicht an meinen Händen klebt. Tatsache ist ferner, daß du am Leben bist – du und Tess –, weil er tot ist. Und es ist auch nicht aus der Welt zu schaffen, daß Brock, was immer er dagegen unternehmen möchte, einen heiligen Eid geschworen hat, euch einen sicheren Ankerplatz in einem sicheren Hafen zu verschaffen. Und eine letzte Tatsache: du wirst jetzt bald an meine Stelle treten können. Als Tai-Pan.«
Culum legte den Briefbeschwerer wieder an seinen Platz. »Ich bin noch nicht bereit dazu, Tai-Pan zu sein.«
»Ich weiß. Aber du wirst es bald. In einigen Monaten fahre ich nach England«, sagte Struan. »Im nächsten Jahr bringe ich die Lotus Cloud hierher und begleiche meine Rechnung mit Wu Kwok. Alles andere aber wird deine Angelegenheit sein.«
Culum dachte darüber nach, wie es wohl sein mochte, der Tai-Pan und ganz auf sich gestellt zu sein. Aber er wußte, daß er jetzt nicht ganz allein war. Jetzt hatte er Tess. »Ich glaube, ich könnte wohl Frieden schließen mit Brock – wenn du nicht versuchst, es für mich zu tun«, sagte er. »Hast du das alles geplant? Kannst du mir mit ›Ja‹ oder ›Nein‹ antworten?« Er wartete und wünschte sich sehnlichst, ein »Nein« zu hören.
»Ja«, antwortete Struan bedächtig. »Ich habe mich gewisser Tatsachen bedient, um ein von mir ins Auge gefaßtes Ziel zu erreichen.«
»Wenn ich Tai-Pan bin, werde ich Struan & Co. mit
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