Tai-Pan
ihn der Teufel! Die Sache hat mich fast umgebracht. Wenn er jetzt hier in Asien etwas zu sagen hat, wird es ziemlich heiter zugehen. Als erstes hat er zu mir gesagt: ›Was mich betrifft, so kann dieser verdammte Felsen im Meer versinken.‹ Mit genau diesen Worten! Wenn Sie nichts dagegen haben, werde ich mich jetzt ein bißchen hinlegen. Bin hundemüde.«
Horatio begann erneut zu stöhnen, dann erbrach er sich.
»Geben Sie ihm noch etwas Branntwein«, sagte Struan. »Nebenan finden Sie ein Schlafzimmer.«
Er begab sich nach unten, um festzustellen, wie es der Besatzung der Lorcha ging. Die Leute hatten bereits die Lebensmittel und den Alkohol gefunden. Wer nicht trank oder aß, schlief oder versuchte zu schlafen.
Das Barometer war noch weiter gefallen.
»Mein Gott, und das in einer Stunde!« sagte der junge, große blonde Leutnant. »Übrigens, darf ich mich vorstellen, Mr. Struan: Leutnant zur See Vasserly-Smythe, Royal Navy.«
Struan drückte die ihm gebotene Hand.
»Vielen Dank dafür, daß Sie uns hier aufgenommen haben.«
Ein Nordfenster sprang auf, und Regen und Wind schlugen in die Halle. Drei der Seeleute stürzten hin und schlossen Läden und Fenster.
»Ich denke, ich werde mal einen Blick auf mein Schiff werfen«, sagte der Leutnant.
»Dann kommen Sie am besten hierher.« Struan führte ihn einen Gang entlang zu einem Fenster, das zwar ebenfalls mit Läden verschlossen war, aber vor dem Nordwind geschützt lag. Vorsichtig öffnete er es und blickte hinaus.
Er sah, daß die China Cloud und die Resting Cloud den Sturm gut durchstanden. Die Lorcha des Leutnants hob und senkte sich mit den Wellen und rieb sich ächzend am Pfahlwerk. Im Osten war kein Horizont mehr zu sehen. Nichts weiter als Finsternis. Und diese Finsternis wälzte sich auf sie zu.
»Sicherer kann Ihr Schiff nicht liegen, Leutnant.«
»Hoffen wir es.« Der junge Mann warf einen letzten erschrockenen Blick auf den Osthimmel und verriegelte die Läden. »Das ist mein erstes Kommando. Ich bin erst seit einigen Monaten in diesen Gewässern. Was sind Taifune?«
»Wirbelstürme mit ungeheurer Windstärke. Man nennt sie auch die Teufelswinde.«
49
Der erste der Großen Winde jagte eine Stunde später über den Hafen hinweg und warf sich auf die Resting Cloud. Ihre Ankertaue rissen, und hilflos trieb sie in der Dunkelheit dahin. Mauss in seiner Kammer blickte von der Bibel auf und dankte Gott für alle Gnade und für Hung Hsu Tsch'un. Der Sturm brachte die Resting Cloud fast zum Kentern und warf Mauss so heftig gegen das Schott, daß er das Bewußtsein verlor. Dann wurde das Schiff mit Schlagseite in Richtung auf das Ufer gedrückt. Auf ihrem Kurs lag die Boston Princess, das Schiff von Cooper-Tillman. Die beiden Schiffe kollidierten heftig; das Bugspriet der Resting Cloud riß einen Teil der Aufbauten des anderen Fahrzeugs mit, bevor es wegbrach. Das Schiff legte sich schwer auf die Seite und trieb mit dem Heck voraus aufs Ufer zu. Der Sturm warf es in das schwimmende Dorf der Sampans, wobei es Dutzende der kleinen Boote zum Kentern brachte, und setzte es dann krachend auf den Strand. Hunderte von Chinesen ertranken, und diejenigen, die noch sicher in ihren Sampans saßen, duckten sich in ihren gebrechlichen Bambushütten. Aber der nächste Große Wind riß auch diese weg.
An Bord der Boston Princess zog sich Jeff Cooper vom Boden der großen Kajüte hoch und half Shevaun aufstehen. Der Sturm nahm noch an Heftigkeit zu und schlug auf das Fahrzeug ein, aber seine Ankertaue hielten.
»Ist dir nichts geschehen?« rief Cooper über den Tumult hinweg.
»Alles in Ordnung. Gott steh' uns bei!«
»Bleib hier!« Cooper öffnete die Kajütentür und arbeitete sich nach oben. An Deck war die Hölle los. Der Sturm und der waagrecht gepeitschte Regen trieben ihn wieder zurück. Er ging die drei Decks hinunter, einen Gang entlang und in den Laderaum. Mit einer Laterne leuchtete er die Wandungen ab. Wo die Resting Cloud aufgeprallt war, hatten die Holzplanken nachgegeben, und es bestand die Gefahr, daß sie im Seegang leckschlagen würden. Cooper kehrte zu Shevaun zurück.
»Alles in Ordnung«, log er. »Solange unsere Ankertaue halten.«
Ein Großer Wind traf auch Glessing's Point, zerbrach den Signalmast und schleuderte ihn wie einen Wurfspieß gegen den Dienstraum des Hafenkommandanten.
Der Mast krachte durch das Dach und schlug Glessings Arm am Ellbogen ab. Er durchschlug auch noch die Wand zum Nebenraum, warf dort Culum zur Seite und
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