Tai-Pan
überschüttete Tess mit Ziegeln, Schutt und brennenden Kohlen.
Regen und Sturm drangen durch das geborstene Dach ein; Tess' Kleid fing Feuer. Culum sprang auf und schlug mit den Händen die Flammen aus.
Er hielt Tess, die bewußtlos geworden war, in seinen Armen. Ihr Gesicht war weiß, ihr Haar versengt. Er riß ihr die Kleider herunter und untersuchte sie vorsichtig. Auf dem Rücken hatte sie Brandwunden.
Culum hörte Schreie. Er wandte sich um und erblickte Glessing, dem das Blut aus dem Armstumpf hervorschoß. Auf der anderen Seite des Raums sah er den abgeschlagenen Arm liegen. Culum sprang auf, aber seine Beine waren wie gelähmt.
»Tu etwas, Culum!« brüllte er gegen den Wind.
Nun gehorchten seine Muskeln. Er ergriff eine Flaggenleine und band den Stumpf ab. Dann versuchte er darüber nachzudenken, was als nächstes zu tun war. Da fiel ihm ein, was sein Vater getan hatte, als Sergejew verletzt worden war.
»Die Wunde säubern«, sagte er laut. »Nichts anderes bleibt dir übrig. Dann ausbrennen.«
Er suchte den Teekessel. Es war noch Wasser drin, und so kniete er neben Glessing nieder und begann den Stumpf abzutupfen. »Durchhalten, alter Junge«, murmelte er. Glessings Qualen schnitten ihm ins Herz.
Tess wimmerte, als sie wieder zum Bewußtsein kam. Sie taumelte hoch. Der Wind wirbelte Papiere, Flaggen und Staub durcheinander, so daß sie kaum etwas sehen konnte. Als sie erkannte, was geschehen war, schrie sie auf.
Entsetzt fuhr Culum herum und sah, wie sie den abgetrennten Arm anstarrte.
»Hilf mir! Hol die Feuerzange!« brüllte er über den Sturm hinweg.
Sie schüttelte den Kopf und wich in panischem Entsetzen zurück. Dann wurde ihr übel.
»Hol mir die verdammte Zange!« brüllte Culum und hob erregt die Hände mit den schmerzenden Brandwunden. »Übergeben kannst du dich später!«
Tess richtete sich mit Mühe auf, entsetzt von der Härte in Culums Stimme. Sie begann nach der Feuerzange zu suchen.
»Um Himmels willen, beeil dich!«
Schließlich hatte sie sie gefunden und reichte sie Culum. Alles erschien ihr wie ein fürchterlicher Traum.
Culum packte mit der Zange ein Stück glühende Kohle und drückte sie gegen den Stumpf. Glessing schrie auf und wurde wieder bewußtlos. Der Gestank des verbrannten Fleisches war kaum zu ertragen. Culum kämpfte seine Übelkeit nieder, bis der Stumpf gründlich ausgebrannt war.
Dann wandte er den Kopf und erbrach sich heftig.
Brock blickte vom Barometer auf. Das ganze Schiff zitterte, und das Holz ächzte. »So tief is' es noch nie gefallen, Liza!«
Liza hielt Lillibet an sich gedrückt und bemühte sich, ihre Angst zu unterdrücken. »Wo wohl Tess sein mag. Mein Gott, schütze sie.«
»Ja«, sagte Brock.
Dann stöhnte das Holz erneut auf, das ganze Schiff legte sich auf die Seite, richtete sich jedoch wieder auf.
»Ich gehe an Deck!«
»Bleib hier! Um Gottes willen, Mann, setz dein Leben nich' aufs Spiel und …« Aber sie verstummte, denn er war bereits gegangen.
»Wann wird es endlich aufhören, Mama?« schluchzte Lillibet.
»Kann nicht mehr lange dauern, meine Kleine.«
Brock steckte den Kopf vorsichtig aus dem Niedergang auf der Leeseite des Achterdecks hinaus. Er blickte zu den Masten auf. Sie waren durchgebogen wie dünne Stämme. Es gab einen gewaltigen Knall. Das Toppstag des Großmastes war gerissen.
»Entert auf!« brüllte Brock in den Niedergang hinunter. »Backbordwache an Deck!«
Ein Großer Wind stürzte sich brüllend von Norden her auf sie, und noch ein Stag riß und noch eins; der Großmast wurde dicht über dem Deck weggedreht, schlug gegen den Kreuzmast, und beide Maste gingen mit ihren Rahen und der Takelage krachend auf Deck nieder, wobei sie den Niedergang am Achterdeck eindrückten. Die White Witch legte sich gefährlich auf die Seite.
Brock befreite sich aus den Trümmern und brüllte die entsetzte Mannschaft an. »An Deck, Gesindel! Es geht um euer Leben! Kappt die Taue, über Bord mit den Masten, oder wir sind verloren!«
Er trieb die Männer an Deck, und mit einer Hand sich festklammernd, während der Sturm an ihm zerrte und der Regen ihm jede Sicht nahm, schlug er wie besessen mit einer Axt auf das Tauwerk ein. Dabei dachte er an jenen anderen Taifun, der ihn ein Auge gekostet hatte. Er flehte Gott an, ihm dieses eine Auge zu erhalten, und er bat darum, daß Tess in Sicherheit sei und Liza und Lillibet nicht ertrinken mußten.
Schon lange waren die Gerüste der neuen Stadt zusammengestürzt. Ein Großer
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