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Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
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irgendwann. Nicht mein Leben vielleicht, Sohn vielleicht. Nicht wissen, wann, aber vier Gefälligkeiten erbitten. Eine halbe Münze eine Gefälligkeit. Können?«
    Der kalte Schweiß brach Struan aus, und er erschauerte. Auf ein solches Verlangen einzugehen, bedeutete, dem Unheil Tür und Tor öffnen. Aber wenn er es ablehnte, ging ihm das Silber verloren. Du steckst deinen Kopf in eine teuflische Falle, sagte er zu sich. Ja, aber entscheide dich jetzt. Willst du noch eine Zukunft haben oder nicht? Du kennst Jin-kwa seit zwanzig Jahren. Er hat immer redlich gehandelt. Und dabei ist er der gerissenste Mann in ganz Kanton. Seit zwanzig Jahren hilft er dir und hat dir die Wege geebnet – und miteinander seid ihr immer mächtiger und reicher geworden. Du mußt ihm also vertrauen; du kannst ihm vertrauen. Nein, du kannst niemandem vertrauen, am allerwenigsten Jin-kwa. Du hast es mit ihm zusammen nur deswegen zu Wohlstand gebracht, weil du immer den letzten Trumpf in der Hand behalten hast. Und jetzt wird von dir verlangt, du sollst Jin-kwa aus deinem Kartenspiel, das über Leben und Tod entscheidet, vier Trümpfe herausgeben.
    Wieder einmal wurde Struan mit einem Gefühl des Grauens die Gerissenheit und teuflische Durchtriebenheit des chinesischen Denkens bewußt. Es war erhaben und erbarmungslos. Aber sie spielten ja beide mit ungeheurem Einsatz, sagte er zu sich. Beide spekulierten sie auf die Redlichkeit des anderen, denn es gab keine Gewähr dafür, daß das Verlangen nach einer Gefälligkeit auch erfüllt wurde. Nur daß du es eben doch erfüllen wirst und erfüllen mußt, denn Übereinkunft ist und bleibt nun einmal Übereinkunft.
    »Können«, sagte er und streckte seine Hand aus. »Mein Brauch, Hand geben. Nicht chinesischer Brauch, macht nichts.« Niemals zuvor hatte er Jin-kwa die Hand gegeben. Er wußte, daß dieses Händeschütteln als barbarisch betrachtet wurde.
    Jin-kwa sagte: »Gefälligkeit vielleicht gegen Gesetz. Meins. Ihrs, versteh'?«
    »Versteh'. Ihr Freund. Sie oder Sohn nicht schicken Münze und böse Gefälligkeit verlangen.«
    Jin-kwa schloß für einen Augenblick die Augen und dachte über die europäischen Barbaren nach. Sie waren behaart und affenähnlich. Ihr Benehmen war widerwärtig und häßlich. Sie stanken unvorstellbar. Sie hatten keine Bildung, keine Kultur und keinen Anstand. Noch der niedrigste Kuli war zehntausendmal besser als der beste Europäer. Und was für die Männer galt, traf für die Frauen in noch höherem Maße zu. Er dachte an seinen einzigen Besuch bei der chinesisch sprechenden, englischen, barbarischen Hure in Macao. Er hatte sie mehr aus Neugier als zur Befriedigung seiner Lust aufgesucht, von Freunden ermutigt, die ihm erzählt hatten, es sei ein unvergeßliches Erlebnis, denn es gebe keine Perversität, zu der sie nicht bereit sei, wenn man sie dazu ermuntere.
    Er erschauerte bei der Erinnerung an ihre haarigen Arme, die behaarten Achselhöhlen, die behaarten Schenkel und die von Haaren bedeckte Spalte, an ihre grobe Haut und ihr grobes Gesicht und an den Gestank von Schweiß, der sich mit dem widerlichen Parfüm mischte.
    Und die Speisen, die diese Barbaren zu sich nahmen – scheußlich. Er war häufig zum Essen bei ihnen gewesen und hatte die unzähligen Gerichte über sich ergehen lassen müssen, fast ohnmächtig vor Übelkeit. Immer hatte er so getan, als sei er nicht hungrig. Entsetzt hatte er die unvorstellbaren Mengen halbroher Fleischgerichte betrachtet, sie sie sich mit ihren Messern in den Mund schoben, während blutiger Fleischsaft und Sauce über ihr Kinn herabrannen. Und die Unzahl berauschender alkoholischer Getränke, die sie in sich hineingossen. Und die ekelhaften ausgelaugten Gemüse und die unverdaulichen schweren Pasteten. Das alles in ungeheuren Massen. Wie Schweine – nein, nicht wie Schweine: eben wie schwitzende, gefräßige, unmäßige Teufel. Unglaublich!
    Sie haben keine Eigenschaften, die für sie sprechen, dachte er, keine. Es sei denn, ihre Neigung zum Töten, denn darauf verstehen sie sich und bringen dazu eine unwahrscheinliche Brutalität mit, allerdings nicht die geringste Raffinesse. Und ihre Eigenschaft, Geld zu machen. Zumindest erhalten wir durch sie die Möglichkeit, Geld zu verdienen.
    Die Barbaren sind das personifizierte Böse. Alle mit Ausnahme dieses Mannes – dieses Dirk Struan. Früher war Struan genauso wie die anderen Barbaren. Jetzt ist er zum Teil Chinese. Im Geist. Der Geist ist wichtig, denn Chinese zu werden

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