Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tai-Pan

Tai-Pan

Titel: Tai-Pan Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James Clavell
Vom Netzwerk:
setzt zum Teil einen geistigen Prozeß voraus. Und er ist sauber und riecht auch sauber. Er hat auch einige unserer Gewohnheiten angenommen. Zwar ist er noch immer gewalttätig, barbarisch und ein Totschläger. Aber dennoch ist er ein wenig verändert. Und wenn sich ein Barbar in einen zivilisierten Menschen verwandeln läßt, weshalb sollte es dann nicht auch bei vielen möglich sein?
    Der Plan, den du verfolgst, ist ein kluger Plan, sagte Jin-kwa zu sich. Er öffnete die Augen, griff über den Tisch hinüber und berührte leicht Struans Hand mit der seinen. »Freun'.«
    Jin-kwa machte dem Diener ein Zeichen, Tee einzugießen.
    »Männer meine bringen Silber Ihre Faktorei. Zwei Tage. Nacht. Sehrr geheim«, sagte Jin-kwa. »Masse Gefahr, versteh'? Sehrr Masse.«
    »Versteh'. Ich gebe Papier und Stempel gegen Silber. Schicken morgen.«
    »Nicht Stempel, nicht Papier. Wort besser, heja?«
    Struan nickte. Wie sollte man es – zum Beispiel Culum – erklären, daß Jin-kwa bereit war, einem Mann eine Million in Silber zu geben und einem ein anständiges Geschäft anzubieten, obwohl er wußte, er hätte jede nur denkbare Bedingung stellen können? Wie sollte er es erklären, daß er einem Mann alles, was er brauchte, auf einen symbolischen Händedruck hin gab?
    »Dreimal zehn Lac Dolla' Jin-kwa zahlen, Co-hong Schulden. Jetzt neues Jahr, keine Schulden. Guter Joss«, sagte Jin-kwa.
    »Ja«, antwortete Struan. »Guter Joss für mich.«
    »Sehrr viel Gefahr, Tai-Pan. Niemand können helfen.«
    »Ja.«
    »Sehrr sehr, viel Gefahr. Müssen warten zwei Nächte.«
    »Ajiii jah Gefahr!« sagte Struan. Er sammelte die vier halben Münzen ein. »Ich danke Ihnen, Tschen-tse Jin Arn. Ich danke Ihnen sehr.«
    »Kein Dank, Dir' Str'n. Freun'.«
    Plötzlich kam der Mann, der Struan zu Jin-kwa geführt hatte, hereingestürzt. Er redete hastig auf Jin-kwa ein, der sich erschrocken zu Struan umwandte. »Diener gehen! Gegangen aus Niederlassung. Alle gegangen!«

6
    Struan saß in der Sänfte und schwankte im Rhythmus der Trägerkulis, die durch die stillen Gassen trotteten, hin und her. Das Innere der verhangenen Sänfte war schmutzig und von Schweiß verfärbt. Von Zeit zu Zeit lugte er hinter den Vorhängen hervor durch das Seitenfenster auf die Gassen hinaus. Den Himmel konnte er nicht sehen, aber er wußte, daß die Dämmerung nahte. Der Wind trug den Gestank von verfaulenden Früchten, Fäkalien, Abfällen, Kochdünsten und Gewürzen mit sich, vermischt mit dem Geruch des Schweißes der Kulis.
    Er hatte mit Jin-kwa einen Plan ausgearbeitet, der ihm sicherer dünkte, um das Silber nach Hongkong zu schaffen. Das Silber, so hatte er mit Jin-kwa abgemacht, sollte in den Kisten auf eine bewaffnete Lorcha geschafft und diese zwei Nächte später heimlich an das Bollwerk der Niederlassung verholt werden. Genau um Mitternacht. Falls dies nicht möglich war, sollte die Lorcha nahe der Südseite des Kais liegen bleiben, eine Laterne am Fockmast, eine zweite am Bug. Um jeden Irrtum auszuschalten, hatte Jin-kwa erklärt, er würde als Erkennungszeichen das dem Land zugewandte Auge der Lorcha rot anmalen. Jede Lorcha hatte zwei Augen, die in das Teakholz ihres Bugs geschnitzt waren. Die Augen waren des Joss wegen da und auch, um der Seele des Bootes zu helfen, weit vorauszuschauen. Die Chinesen wußten, daß es für ein Boot wichtig war, Augen zu haben, mit denen es sehen konnte.
    Aber warum sollte Jin-kwa mir Hongkong so uneingeschränkt überlassen? fragte er sich selber. Bestimmt ist ihm doch die Wichtigkeit eines Mandarins an dieser Stelle klar. Und warum sollte er den Wunsch haben, einen Sohn in London erziehen zu lassen? War Jin-kwa etwa unter all den Chinesen, die er kannte, der einzige, der so weitblickend war, endlich zu begreifen, daß das Schicksal und das Wohlergehen Chinas für alle Zeit mit dem Schicksal und dem Wohlergehen Britanniens verbunden sein würden?
    Er hörte Hunde bellen und sah durch die Spalten der Vorhänge, wie sie nach den Beinen des vorderen Kulis schnappten. Aber der Kuli, der mit der Laterne der Sänfte vorausging, kam zurückgelaufen und schlug mit seinem eisenbeschlagenen Stock auf die Tiere ein. Man sah ihm an, daß er darin Übung und Erfahrung besaß. Die Hunde verschwanden kläffend in der Finsternis. Dann bemerkte Struan einen Haufen von bewaffneten und mit Laternen versehenen Bannermännern – vielleicht hundert –, die an einer entfernten Kreuzung hockten. Sie waren unheimlich still. Einige der Männer

Weitere Kostenlose Bücher