Tai-Pan
Schweine…«
»Halt's Maul!« fuhr Brock ihn an. Er wußte, daß man Struan keinen größeren Gefallen tun konnte, als ihn in aller Öffentlichkeit einen Schweinehund zu nennen, denn dann könnte er Gorth zu einem Kampf herausfordern. »Warum reizen Sie den Burschen auch so?«
»Reize ihn nicht, Tyler. Stelle nur eine Tatsache fest. Es wäre besser, Sie brächten ihm außer der Seemannskunst auch noch Manieren bei.«
Brock beherrschte sich. Gorth konnte es mit Struan noch immer nicht aufnehmen. Noch nicht. In ein paar Jahren, wenn er erst einmal gerissener war, dann war's etwas anderes. Aber doch nicht jetzt, um Gottes willen. Außerdem gehörte es sich für einen Engländer nicht, dem Feind in die Gedärme zu treten, wenn er hilflos am Boden lag. Wie dieser gottverdammte Struan. »Eine Wette in aller Freundschaft. Um hundert Guineen! Mein Junge sagt, er kann Sie schlagen. Wer als erster den Flaggenmast in Hongkong anfaßt.«
»Zwanzigtausend Guineen. Und von seinem Geld, nicht von Ihrem«, rief Struan, und seine Augen forderten Gorth spöttisch heraus.
»Wie woll'n Sie denn das bezahlen, Tai-Pan?« erwiderte Gorth verächtlich, und Brock kochte vor Zorn über die Dummheit seines Sohnes.
»War ja nur 'n Scherz, Dirk«, fiel Brock rasch ein. »Zwanzigtausend, einverstanden.«
»Natürlich, nur ein Scherz. Wenn Sie es sagen, Tyler.« Struan blieb nach außen hin kühl, aber innerlich frohlockte er. Sie hatten den Köder geschluckt. Nun würden Gorth und Brock nach Hongkong eilen – immerhin waren zwanzigtausend Guineen ein ganz nettes Vermögen, aber nichts im Vergleich zu vierzig Lac, die sicher verstaut in der China Cloud lagen. Brock war glücklich aus dem Weg geschafft. Allerdings war es ein gefährliches Spiel. Gorth war fast zu weit gegangen, und dann wäre Blut geflossen. Es war zu einfach, Gorth zu töten.
Er streckte Cooper die Hand hin. »Ich verlasse mich also auf Ihre dreißig Tage.« Sie drückten einander die Hände. Dann sah Struan Gorth an. »Der Flaggenmast in Hongkong! Gute Fahrt, Tyler!« Damit eilte er zu seiner Lorcha, die die Leinen bereits losgeworfen hatte und ihren Bug auf die Mitte des Flusses richtete.
Er sprang auf das Schandeck, drehte sich um und winkte spöttisch zurück. Dann verschwand er unter Deck.
»Entschuldigen Sie uns jetzt, Mr. Cooper?« sagte Brock und packte Gorths Arm. »Wir bleiben in Verbindung.«
Er zog Gorth mit sich zu ihrer Lorcha. Auf dem Achterdeck stieß er ihn rasend vor Zorn gegen das Schandeck. »Du verfluchte schwachsinnige verseuchte Speigattratte! Willste dir etwa deine gottverdammte Kehle von einem gottverdammten Ohr bis zum anderen durchschneiden lassen? Wenn du 'n Mann in diesen Gewässern 'nen Schweinehund nennst, mußt du kämpfen. Nennst du ihn so, hat er 'n Recht, dich zu töten!« Er schlug Gorth mit dem Handrücken ins Gesicht, und Blut sickerte aus Gorths Mundwinkeln. »Fünfzigmal hab' ich dir gesagt, nimm dich vor diesem Teufel in acht. Is' wohl richtiger, nur auf dich achtzugeben!«
»Ich kann ihn töten, Vater, ich weiß, ich kann es!«
»Fünfzigmal hab' ich zu dir gesagt, zu dem da sei höflich. Wartet nur drauf, dich aufzuschlitzen, du Idiot. Und er kann's. Mit dem Teufel kämpfst du nur einmal! Verstanden?«
»Ja.« Gorth schmeckte das Blut in seinem Mund, und das steigerte seinen Zorn.
»Das nächstemal lass' ich dich totschlagen, du Idiot. Und noch was! Forder' niemals einen Mann wie den auf eine Spielschuld raus. Und tritt ihm nich' in die Weichteile, wenn er geschlagen und hilflos is'. Das is' nich' der Ehrenkodex!«
»Pfeife auf den Ehrenkodex!«
Wieder schlug Brock ihm mit dem Handrücken ins Gesicht. »Die Brocks leben nach dem Kodex. Offen. Mann gegen Mann. Stell dich dagegen und du bist raus aus Brock and Sons!«
Gorth wischte sich das Blut vom Mund.
»Schlag mich nich' noch mal, Vater!«
Brock hörte die Schärfe und Gereiztheit in der Stimme seines Sohnes, und sein Gesicht verfinsterte sich.
»Tu's nicht, Vater. Beim Herrn Jesus, ich schlag' zurück!« stieß Gorth hervor, stemmte die Beine gegen den Boden und ballte die harten Fäuste. »Hast mich 'n letztes Mal geschlagen. Schlägst du mich noch mal, hör' ich nich' mehr auf. Beim Herrn Jesus, hast mich ein letztes Mal geschlagen!«
Die Adern an Brocks Hals waren dunkel angeschwollen, als er nun zum Kampf bereit vor seinem Sohn stand, der nicht mehr sein eigenes Fleisch und Blut war, sondern ein Feind. Nein, kein Feind. Nur ein Sohn, der kein Junge mehr war.
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