Tai-Pan
nicht geredet, und damit Schluß.«
Sie schüttelte den Kopf. »Das ist falsch. Es ist gut zu reden. Wie sollte man sich sonst verbessern? Mann ist Mann und Frau ist Frau. Du hast doch auch nicht Empörung bekommen wegen des Essens! Warum so verdreht, eh? Liebesspiel ist auch Essen, bestimmt.« Ihre Augen zogen sich kokett zusammen, sie musterte ihn von oben bis unten. »Heja, alle Maste' tun hupp-hupp wie du, alle dasselbe können, heja?«
»Sind alle chinesischen Mädchen wie du, heja?«
»Ja«, antwortete sie gelassen. »Die meisten. So wie ich, aber nicht so gut. Ich hoffe es.« Sie lachte. »Ich glaube, du mußt sehr besonders sein. Ich bin auch besonders.«
»Und bescheiden.«
»Der Teufel hole diese Art von bescheiden. Ich bin aufrichtig, Tai-Pan. Chinesen sind aufrichtig. Warum sollte ich mich nicht zu würdigen wissen? Und dich auch. Ich habe Lust an dir, wie du an mir. Doch dumm, so zu tun, als wäre es nicht so.« Sie blickte in den Topf hinein, nahm ein Stück Fleisch mit den Eßstäbchen heraus und kostete es. Dann schob sie den Topf vom Feuer, ließ ihn aber neben den Flammen stehen, um ihn warm zu halten. Sie öffnete die Tür und flüsterte Ah Gip etwas zu. Ah Gip trottete davon, und May-may kehrte zum Feuer zurück.
»Wohin geht sie?«
»Sie sucht uns ein Versteck.«
»Überlaß das mir.«
»Das sie besser verstehen. Zuerst wir essen, und dann entscheiden du wegen Brock.«
»Was ist mit ihm?«
»Er doch nicht so leicht zulassen, daß du dich versteckst und bleibst, heja?«
»Ich habe mich bereits entschieden, wie ich mich ihm gegenüber verhalte.« Struans Gesicht verzog sich zu einem breiten Lächeln. »Du bist sehr, sehr besonders, May-may.«
»Besonders genug, daß du mich zur Tai-tai machst? Zur Ersten Dame, wie es bei dir Sitte ist?«
»Darüber entscheide ich, nachdem ich drei Dinge getan habe.«
»Welche drei Dinge?«
»Erstens: das Silber glücklich auf die China Cloud schaffen.«
»Dann?«
»Das zweite wäre, Hongkong absolut sicher zu machen.«
»Und das letzte?«
»Das weiß ich noch nicht genau. Du mußt etwas Geduld haben.«
»Bei den ersten beiden ich dir helfen. Vom letzten weiß ich nichts. Ich bin Chinesin. Die Chinesen sind sehr geduldig. Aber ich bin auch eine Frau.«
»Ja«, sagte er nach einer Weile.
8
Struan saß in seinem Privatkontor im Erdgeschoß und schrieb einen Bericht an Robb. Es war fast zwei Uhr. Draußen schleppten die Händler, deren Schreiber, Kulis und Diener ihre Habe aus den Faktoreien in die Lorchas. Der Hoppo hatte den Befehl, daß alle Diener die Händler zu verlassen hatten, abgemildert. Diener und Kulis durften bis zur Stunde des Affen – drei Uhr – bleiben, also bis zu der Zeit, zu der die Niederlassung geräumt sein sollte. Noch immer standen Bannermänner auf dem Platz und versperrten den Zugang zur amerikanischen Faktorei.
Struan beendete den Brief, setzte seinen Sonderstempel drauf und versiegelte das Ganze mit Wachs und einem Siegelring. Er hatte Robb erklärt, er solle sich keine Sorgen machen, er bringe gute Nachrichten mit nach Hongkong, und wenn er sich verspätete, solle sich Robb dennoch zum Landverkauf einfinden und das ganze Land kaufen, wie schon früher beschlossen. Außerdem solle er den Hügel kaufen, wieviel er auch kosten mochte. Was Brock auch biete, Robb solle einen Dollar mehr bieten.
Nun lehnte sich Struan zurück, rieb sich die Müdigkeit aus den Augen und begann, seinen Plan zu überprüfen, in dem Versuch, schwache Stellen zu finden. Wie bei allen Plänen, in denen die Reaktionen anderer Leute eine Rolle spielten, bedurfte es stets eines gewissen Maßes an Joss. Aber er hatte das Gefühl, als ob die Wetterfahne seines Joss wieder in die alte Richtung wiese, wo für ihn stets Sicherheit war und die Dinge seinen Wünschen entsprechend geschahen.
Die hohe Großvateruhr schlug zweimal. Struan erhob sich von seinem Platz an dem geschnitzten Teakholzschreibtisch und trat zu den Dienern, die unter der Aufsicht der portugiesischen Handlungsgehilfen aus der Faktorei strömten oder in sie hineingingen.
»Wir sind fast fertig, Mr. Struan«, sagte Manoel de Vargas. Er war ein älterer, grauhaariger, blasser Portugiese mit sehr würdevollem Betragen. Er arbeitete seit elf Jahren im Noble House und war der Vorsteher des Kontors. In früheren Jahren hatte er eine eigene Firma mit dem Sitz in Macao gehabt, doch war es ihm nicht gelungen, mit den britischen und amerikanischen Kaufleuten zu konkurrieren. Er trug es
Weitere Kostenlose Bücher