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Taken

Taken

Titel: Taken Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erin Bowman
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aber er ist es. Wie alle anderen trägt er die dunkle Uniform des Frankonischen Ordens. Er lacht über etwas, und ich fühle mich wieder vollständig. Ich renne durch den Saal. Als ich noch mehrere Tische von ihm entfernt bin, sieht er mich.
    »Gray!«, ruft er aus. Und dann springt er vom Tisch auf und schüttet dabei Wasser auf seinen Schoß. Die Männer um ihn herum ducken sich, als sein Tablett davonrutscht. Als Nächstes weiß ich nur noch, dass Blaine mich fest umarmt, und ich bin den Tränen nahe, weil ich dachte, wir würden uns nie wiedersehen.
    »Was machst du denn hier?«, fragt er und schüttelt mich.
    »Das ist eine lange Geschichte.«
    »Ich kann es nicht glauben – ich meine, ich freue mich, dich zu sehen –, aber wie bist du … Das kann nicht wahr sein.«
    Ich grinse so breit, dass mir die Wangen wehtun, aber ich kann einfach nicht damit aufhören. Es ist mehr als amüsant, ihn so vollkommen verwirrt zu erleben.
    »Bist du … bist du über die Mauer geklettert?«, fragt er leise.
    »Ja, und Emma ist mir gefolgt«, sage ich immer noch lächelnd. Ich hätte es für unmöglich gehalten, aber seine Miene zeigt noch größere Verblüffung. Am liebsten möchte ich ihm eine Million Fragen stellen – was passiert ist, seit er hier angekommen ist, wegen des Briefs, den er mir vorenthalten hat –, aber in diesem Moment kann ich nur seine Reaktion genießen.
    »Hey, Blaine«, ruft jemand hinter ihm. »Wo sind deine Manieren geblieben? Willst du uns deinem kleinen Bruder nicht vorstellen?«
    Kleiner Bruder. Niemand anderer weiß, dass wir Zwillinge sind.
    Mit einem Ruck kehrt Blaine in die Realität zurück. »Eigentlich ist es nicht nötig, dich vorzustellen, Septum.«
    Ich recke den Hals, um an Blaine vorbeizusehen, und da sitzt Septum Tate und sieht abgesehen von seinen jetzt kurzen Haaren genauso aus wie vor ein paar Monaten, als er geraubt wurde.
    »Hey, Gray.« Septum grinst mich an, obwohl er den Mund voll Brot hat. Hinter ihm winkt Craw Phoenix mir freundlich mit der Gabel zu. Mir klappt die Kinnlade herunter.
    »Ihr seid auch hier?«, keuche ich. Frank hat es mir gesagt, aber trotzdem ist es schwer zu glauben.
    »Alle sind hier«, erklärt Craw. Als er lächelt, tauchen Grübchen in seinen Wangen auf. »Bis auf die, die im Dienst gefallen sind.« Hinter ihm sehe ich ein paar andere Gesichter, die ich erkenne, und dahinter noch ein Dutzend weitere.
    »Dienst?«
    »Frank hat viel um die Ohren«, sagt Blaine. »Wir helfen dem Orden bei kleineren Aufgaben, während er sich mit den großen beschäftigt.«
    »Und woraus bestehen eure Aufgaben?«
    Septum nimmt einen riesigen Bissen von seinem Brot und redet dann mit vollem Mund weiter, sodass seine Worte genuschelt klingen. »Zum Beispiel die Wasserverteilung oder Aufklärungsmissionen.«
    »Und dabei sterben Menschen?«
    »Nicht bei der Wasserverteilung«, stellt Blaine klar. »Aber die Aufklärungsmissionen sind in letzter Zeit ein wenig gefährlich geworden. Gerüchte besagen, dass Harvey Anhänger gewinnt. Rebellen, hier in AmOst.«
    Also wissen sie es. Sie wissen alles.
    »Ungeziefer«, murrt Craw und spuckt auf seinen leeren Teller. »Dieser Mann ist richtig übel.«
    »Du meinst wohl eher Parasit«, fällt Septum ein. »Primitiv, hinterlistig und verschlagen.«
    »Nein, ich meine Ungeziefer. Wie: Schädling, Wurm, Ratte.«
    Septum verzieht nachdenklich das Gesicht. »Wartet mal, vielleicht bedeuten beide Wörter ja dasselbe.«
    »Natürlich nicht«, schaltet sich Craw ein und verdreht die Augen. »Parasit ist sogar irgendwie ein Kompliment. Ich meine puren Dreck. Harvey. Geschmeiß.«
    Während die anderen weiterdiskutieren, fasst Blaine meinen Arm. »Komm. Wir müssen reden«, sagt er. Er zieht mich vom Tisch weg, und wir verlassen den Speisesaal durch einen Seitenausgang, der auf einen kleinen, runden und von den hohen Mauern von Union Central umgebenen Innenhof führt. Die Morgenluft ist noch kühl und feucht, und die Fläche ist verlassen. Jetzt holen mich doch die Nachwirkungen der Müdigkeit ein. Als ich Claysoot verlassen habe, war es spät – fast schon Morgen –, und seitdem habe ich nicht geschlafen.
    »Das war wirklich dumm von dir, Gray.«
    Verblüfft höre ich, dass Zorn in seiner Stimme mitschwingt. »Dumm?«
    »Über die Mauer zu klettern.« Er legt die Hände vor der Brust zusammen und sieht mich wieder einmal an wie ein enttäuschter großer Bruder. »Weißt du, was du für ein Glück hattest, dass der Orden dich gefunden und

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