Taken
Stadt gestrandet. Sie haben ihre Mütter nicht in einem furchtbaren Sturm verloren. Es war nur Harvey, der Menschen genommen hat, als wären sie Spielsteine auf einem Brett, und sie hingesetzt hat, wo er wollte. Mit einem Mal erscheint mir alles, was ich je getan, was ich je gewusst und gesagt habe, wie eine Lüge.
»Und die Mauer? Die verkohlten Leichen? Der Raub?«, platze ich heraus. »Das war alles Harvey? Das ist alles nur ein Teil seines Laicos-Projekts?« Der Name fühlt sich auf meiner Zunge schmutzig an.
Frank nickt.
»Und Sie können das nicht verhindern, obwohl er sich versteckt? Sie können nicht einfach über die Mauer klettern und Claysoot befreien?«
»Wir haben es versucht, aber wir haben zu viele Männer an das Ding verloren, das im Äußeren Ring patrouilliert.« Ich möchte ihn fragen, was das für ein Ding ist, doch Frank spricht weiter, bevor ich einfallen kann. »Wir haben keine Möglichkeit, gegen das zu kämpfen, was Harvey jenseits eurer Mauer in Gang gesetzt hat, daher konzentrieren wir uns stattdessen darauf, diejenigen zu retten, die über die Mauer klettern. Wir sichten sie von Beobachtungstürmen aus, aber bis jetzt haben wir sie nie rechtzeitig erreicht. Du und Emma, ihr seid die Ersten.« Er lehnt sich auf seinem Stuhl zurück und lächelt freundlich. »Aber vielleicht besteht noch Hoffnung, Gray. Es war idiotisch von Marco, dich in eine Zelle zu stecken, aber er hat es getan, weil du etwas sehr, sehr Interessantes gesagt hast. Etwas, das er für so kostbar hielt, dass er nicht leichtfertig damit umgehen wollte.«
Ich fürchte mich beinahe, meine Aussage zu wiederholen, weil sie beim ersten Mal dazu geführt hat, dass ich in einer Zelle gelandet bin, aber Franks Stimme wirkt so beruhigend. Sein ruhiger, besorgter Ton erinnert mich beinahe an meine Mutter. Und alle seine Erklärungen erscheinen viel logischer als alles, was Emma und ich uns in Claysoot ausgedacht haben.
»Ich bin ein Zwilling«, erkläre ich. »Ich bin achtzehn, und ich bin nicht geholt worden.«
Frank beugt sich vor und zeigt auf mich. »Genau.«
»Was hat das zu bedeuten?«
»Das musst du mir sagen«, gibt er zurück. »Ich finde es unglaublich faszinierend. Nicht so faszinierend, dass ich dich ins Gefängnis stecken möchte, aber es hat etwas zu bedeuten. Wenn wir herausfinden können, wie oder warum du dem Raub entronnen bist, haben wir vielleicht eine ganz geringe Chance, den Rest deiner Leute zu retten.«
Ich könnte ihm jetzt leicht erzählen, was ich in Carters Notizbuch gelesen habe, aber ich ertappe mich bei dem Gedanken, woher Marco und Frank wohl so viel über den Raub wissen.
»Und wenn du nicht weißt, was es zu bedeuten hat, ist das auch in Ordnung«, sagt Frank in mein Schweigen hinein. »Wir können es gemeinsam herausfinden. Ich bin äußerst beschäftigt, aber ich versichere dir, dass Claysoot eine meiner obersten Prioritäten bleibt. Du bist wichtig, Gray – für die Lösung dieses Rätsels. Ich spüre das. Du kannst in Taem bleiben, sogar hier in Union Central. Das gilt für dich und Emma gleichermaßen. Es ist wirklich das Allerwenigste, was ich für euch tun kann, wenn ihr mir helft, diese Sache aufzuklären. Was meinst du?«
Was soll ich darauf schon sagen? Emma und ich können nirgendwo anders hin. Ich sehe Carter vor mir, die sich hinter der Mauer danach sehnt, wieder mit ihrer Tochter vereint zu sein. Dies hier ist eine Chance, das möglich zu machen. Vielleicht bin ich ja der Schlüssel zur Lösung des Rätsels, damit Harveys Projekt beendet werden kann. Es wäre sowohl egoistisch als auch dumm von mir, dabei nicht mitzumachen.
»Wir bleiben«, sage ich. »Und danke.«
Frank lächelt, und wieder breiten sich blitzschnell Falten über seine Wangen aus. »Der nicht-geraubte Junge, und er wohnt hier in Union Central. Ich fühle mich geehrt angesichts eines solchen Geheimnisses und solcher Hoffnung.«
Als er den Raub erwähnt, steigt erneut dieses Gefühl in mir auf, dass er mehr weiß, als ich ihm je erzählt habe. »Wegen des Raubs … Wenn Emma und ich die einzigen Mauerkletterer sind, die je gerettet worden sind, wie kommt es dann, dass Sie so viel über den Raub wissen?«
»Ich habe dir ja erklärt, dass ein Großteil des Laicos-Projekts noch fortgesetzt wird und wie ferngesteuert läuft. Ja, und wir wissen, dass junge Männer mit achtzehn geholt werden, weil sie dann mitten in der Nacht auf unserem Trainingsgelände auftauchen und darüber berichten. Paff sind sie da, als
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